Von wegen!

Von der irrsinnigen Freude am Plätzchen backen.

Das mit dem Plätzchen backen….

… ist wie mit dem Kinder kriegen. Man vergisst, wie… wenig Spaß das macht. (Da hab ich ja noch mal die Kurve gekriegt! Ich liebe meine Kinder!)

Ich jedenfalls brauche immer exakt ein Jahr, um die Qualen zu vergessen. Spätestens, wenn alle Streber ihre Plätzchenbackorgien posten, fühle ich mich verpflichtet, wenigstens EINE Ladung zu backen.

Seit zwei Wochen verschiebe ich das Ganze von einem auf den nächsten Tag. Auf meine Jungs brauch ich nicht zählen. Mein Pubertist hebt nur gaaanz langsam die Arme und meint tonlos, mimiklos: »Mit mir ist nicht zu rechnen.« Ich beneide ihn um diese ausdrucklose Ausdruckstärke.

Heute Morgen mit einem Kaffee/ Baileys im Bett, nehme ich mir vor: Heute. Wann, wenn nicht heute! Du stehst eh in der Küche, weil du den Jungs Kohlrouladen versprochen hast! Ich Idiot.

Die Dusche spült meine Motivation weg. Ich suche nach Ausreden. Fast hätte ich dann auch eine gehabt. Die Nachbarin (die beste, die man sich wünschen kann!!!) bringt frischen, selbstgemachten Eierlikör. Leeeecker! Kurz keimt Hoffnung in mir auf: »Wenn du jetzt alle Eier verarbeitet hast, sind sie bestimmt alle, oder?« Nein, es sind noch welche da. Verdammt.

Ich hole also Eier, bereite die Küche vor… lege die Rock- Christmas ein und simuliere gute Laune. Beim Öffnen des Kühlschranks kippt diese jedoch. Da liegt der Kohl. Das Gehackte jedoch hab ich vergessen, aus dem Gefrierer zu nehmen. Super. Das heißt: Adios Kohlrouladen oder mit Fausthandschuhen Fleisch kneten. Menno.

Der Rest der nicht vorhandenen guten Laune verflüchtigt sich, als ich nach Omas „Rezept“ blätter. Jedes Jahr aufs Neue backe ich ihre Kekse nach. Oder versuche es zumindest. Jedes Jahr aufs Neue fluche ich die schlimmsten Schimpfwörter. Es ist nämlich kein wirkliches Rezept. Auf meine Frage hin sagte Oma früher nämlich immer: »Ach Mädel, das weiß ich auch nicht. Ich mach das nach Schnauze. Aber ich würd sagen: Pfund auf Pfund.«

Na wenn DAS keine präzisen Angaben sind! Seit dem Oma tot ist, verzweifel ich an diesen Plätzchen, die, so sie gelingen, die besten from all over the world sind.

Ich lasse also die Butter in der Mikrowelle weich werden. Eier und Zucker rühre ich schaumig. (Mit dem Mixer und nicht wie Oma mit dem riesigen runden Holzding in einer Steingutschüssel.) Dann Mehl, Backpulver, Vanillezucker. So weit, so gut. Dann nehme ich Omas Spritztüte (original!), Löffel den Teig rein und spritze kleine Schlangen in S-Form aufs Backblech. Denkste. Während Oma zackig und akkurat wie am Fließband einen nach dem anderen aufs Blech drückt, ohne mit der Wimper zu zucken, treten mir schon beim Ersten die Augen aus dem Kopf. Gut, Oma war schwere Feldarbeit gewohnt, aber ….

Das gibts doch nicht. Ich gehe leicht in die Knie, wende alle Kraft auf, die in meinen Armen steckt, presse, presse … Nichts. Ich krieg den bescheuerten Teig nicht durch die Tülle gedrückt! Was mache ich anders als sie? Seit 12 Jahren bin ich geneigt, zum Telefon zu greifen. Aber es gibt Oma nicht mehr. Sie würde nicht abnehmen. Boah, das wird das Erste sein, was ich sie frage, wenn wir uns im Himmel irgendwann wiedersehen. Ich schwörs!

Ich hab in den 12 Jahren alles versucht. Weniger Mehl, mehr Butter, noch ein Ei. Es geht nicht. Es bleibt ein schwerer Teig. Oder verläuft auf dem Blech zu einer einheitlichen Masse. Dann beginne ich am nächsten Tag mit den feinen Laubsägearbeiten.

Warum hab ich eigentlich vorher geduscht? Sarah Connor dudelt irgendwas von «Best time of the year« und ich schnaube verächtlich.

OK. Ruhe bewahren. Ich hau doch noch mal ein Ei an den Teig. Neuer Versuch. Siehe da, es rührt sich was. Es geht! Das erste Blech ist fertig. Kurz vor der Freude jedoch platzt der Stoffbeutel. Is nich wahr! Naja gut, wie alt wird der sein? Ich puhle das klebrige Zeug wieder raus in die Schüssel und überlege. Hatte ich nicht noch son Plasteding? Also wieder in den Keller. Uiii, da ist es. Aber ich finde nur eine kleine Minitülle. Muss gehen. Ich löffel also den Teig in das Plasteding und…Boah, mir ist fast der Schädel geplatzt vor Anstrengung…und das, was da vorn rauskam, war wohl doch nur ein Würstchen. So noch 40 Kringel? Beim zweiten Kringel bricht der Griff ab. Na wunderbar.

Also wieder alles raus, zurück in die Schüssel. Ich schneide eine Tüte auf, schiebe eine Tülle durchs Loch, löffel den Teig rein…Ihr ahnt es: Die Tüte platzt sofort.

Noch einmal beäuge ich Omas Stoffbeutel. Ob ich den mit Gaffa kleben kann? Stoff und Fett? Keine Chance. Trotzdem renne ich noch mal in den Keller, um „Inspirationen“ zu sammeln. … Während mir oben die ersten Plätzchen fast im Ofen verbrennen. Ich hol mir ne Brandblase, als ich das Blech aus dem Ofen reiße und könnte glatt alles in die Tonne haun.

Ruhig, Katrin. Alles wird gut.

Chris Rea fährt zum fünften mal nach Hause und ich mache genervt die Mucke aus.

OK, also doch das Plasteding. Ohne Griff. Bzw. Nachstopfvorrichtung. Wer braucht sowas schon?

Die nächsten Kringel werden keine Kringel mehr, sondern mehr so Balken. Isst man halt nur einen und ist pappesatt, ge? Überhaupt weiß ich jetzt schon, dass ich die nicht rausrücke. Sind ja fast unbezahlbar! Oma hat immer Dosen verschenkt. DAS passiert mir nie. Plätzchen sind Goldstaub. Und wer meine Kraftanstrengungen nicht erlebt hat, kann höchstens eins kaufen. 10€ das Teil. Kommt ja auch noch Schokolade drauf. Also eigentlich. Wenn die Kekse so lange durchhalten bis ich wieder motiviert bin. Ach Menno.

Ich verstecke die magere Ausbeute im Büro. Schließlich kommt noch ein Freund, der zwar nicht rein darf, aber man weiß ja nie- und abends meine Kinder. Da darf man nicht leichtsinnig alles stehen lassen.

Ich mache dann doch noch einen Teigklumpen. Ganz klassisch. Zum Ausstechen. Ob ich da nachher noch Lust drauf hab? Zum Glück muss der ja noch ne halbe Stunde in den Kühlschrank, um zu ruhen. Und ich glaub, das mach ich jetzt auch. Ruhen.