Autoverkauf

Große Liebe, Abschied, neue Liebe, Kompromisse, Abschied, Trauer, neue Liebe. Vom Auf und Ab in Beziehungen . Ähm, zu Fahrzeugen.

Meinen Käfer habe ich geliebt. Aus tiefstem Herzen. Ja, er war grottig. Aber pink. Wir haben ihm mit Freunden riesengroße Blumen draufgesprüht. Und bei den Käfertreffen wurde er deshalb genauso oft fotografiert wie die aufgemotzten Ovalis mit W-Haube.

Erst als sich unsere Werkstatt auflöste, in der sich die Käferliebhaber sammelten und tüftelten wurde das Blumenwunder zum echten Problem. Im Grunde müsstest du immer einen Schrauber neben dir sitzen haben. Oder selber schrauben. Nun, ich kann ne Menge ...aber schrauben nicht.

Ein Zeitlang überbrückte ich die Startprobleme des Käfers mit geschicktem Parken. Immer leicht abschüssig hingestellt konnte man später einfach ein Bein raushalten, abschubsen, Kupplung, 2.Gang...WRUMMMM! Easy. Aber irgendwann sagte mein Schrauber mit hochgezogenen Brauen: Kann es sein, dass deine Karre mehr am Abschleppseil hängt als dass er sich selber fortbewegt? Naja und damit meinte er leider SEIN Abschleppseil und begab sich in den Streik. Und irgendwann trennte ich mich vom Käfer. Schweeeren Herzens.

Die Modelle danach waren lieblos gewählt und eher praktisch. Ach was, meistens nich mal das. Obwohl...der alte Volvo war schon cool.

Aber dann gabs den T4. Mit nem langen Radstand. Das hatte Vor- und Nachteile. Vorteil: 9 Leute plus 3 Fahrräder waren kein Problem. Nachteil: Du wurdest nicht nur in Kita und Schule permanent eingespannt, sondern warst auch Fahrer nach jeder Party. Habt ihr schon mal versucht, 8 angetrunkene Menschen ins Auto zu kriegen? Hölle.

Vorteil: Man konnte von Schlittschuhen über Schwimmausrüstung immer alles im Auto belassen. Verreisen und drin schlafen...Haaach. Gut, LKWs überholen ging nur bergrunter. Und 830€ Steuern....eijeijeiiiii.

Ich liebte ihn trotzdem. Auch er bekam ne tolle Bemalung. Diesmal professionell und nicht mit Sprühdose. Meine Schwester (farbknall) hat ihn zum Hingucker gemacht. Und man grüßte mich von weitem. Als der von nem Händler abgeholt wurde und vom Hof fuhr hab ich geweint. Und noch 2 Wochen später hab ich gelitten, als wär mein Hund gestorben. Ich hatte noch nie einen, aber man sieht das ja immer mal bei anderen Menschen. Mit dem T4 war ich von Schweden bis Dubrovnik unterwegs. Soooo viele Erinnerungen. Schnief!

Als mein Schrauber bei der Präsentation meines neuen Wagens (ein Sharan family, 136PS) wieder die Augenbrauen hochzog und meinte: Naja, sowas kauft man sich eigentlich, wenn man mit dem Leben abgeschlossen hat...fühlte ich mich wie ein...Spießer. Jawohl. Aber meine Eierstöcke werden sich über eine Sitzheizung freun! warf ich ihm noch hinterher in dem Wissen, dass ihn das schütteln wird.

So ganz ans Herz gewachsen ist mir der Sharan dann nicht. Rein platztechnisch eine ziemliche Einschränkung, obwohl man gut in ihm schlafen konnte. Aber letztendlich eine Familienkutsche. Nicht cool, aber spritzig. (Was meinem Punktekonto in Flensburg nicht so gut tat)

Einige Jahre hat er mich treu begleitet. Irgendwann konnte man das linke Fenster nicht mehr öffnen. Hinten rechts fehlte plötzlich die Fensterkurbel. Sonst...tiptop. Als kürzlich die Klimaanlage den Geist aufgab war das dann aber doch unschön. Trotzdem fuhren wir im April nach Amsterdam mit dem Wagen.

Kurz vor der holländischen Grenze hat er sich mit nem zerfetzten Zahnriemen verabschiedet. Das hat mich nicht gefreut aber mir in dem Moment auch nicht die Laune versaut. Immerhin war ich in bester Gesellschaft und wir hatten unseren Spaß. Vielleicht war es auch nur Galgenhumor. Jedenfalls versteht es meine Familie prima, aus jeder Situation das Beste zu machen.

Nachdem wir den ADAC informiert hatten stellten wir uns hinter die Leitplanken. Safety first. Nach ner Stunde an der kalten Luft und ohrenbetäubendem Lärm vorbeidonnernder Autos bitte ich meinen Sohn, das Wasser lieber einzuteilen. Wer weiß, wann die kommen. Als er sich über den fünften Apfel hermacht frag ich in die Runde, nach wie viel Wochen in der Regel Skorbut einsetzt, und er solle auch mit dem Obst lieber sparsam sein. Wir gucken, ob in der Nähe Holz rumliegt, mit der wir eine Hütte bauen können und spinnen uns ordentlich einen an.

Erleichterung, als dann doch der ADAC anrollt. Der Typ guckt gar nicht erst, sondern verlädt sofort den Wagen und transportiert ihn und uns zur nächsten Werkstatt. Lange Rede...Wir setzten die Fahrt mit einem ADAC-Mobil fort und nach knapp 2 Wochen wurde der Sharan in meiner Werkstatt abgestellt. Kurze Diagnose des Schraubers: tot.

Wir schleppten also den Wagen unter heftigen Schweißausbrüchen auf meinen Hof. Immerhin hatte ich das letzte mal vor 23 Jahren ein Auto abgeschleppt und hier gingen nun die Lenkung und Bremsen nur eingeschränkt.

Aber eiiiigentlich wollte ich euch nur erzählen, wie das mit dem Verkauf des Wagens ablief. Da bin ich wohl ein wenig abgeschweift. Lest einfach morgen weiter. Erholt euch. Denn jetzt wird’s Nerv tötend.

Sonntagabend raffe ich mich auf und gebe eine Anzeige bei ebay-Kleinanzeigen auf. Ziemlich simpel zu handhaben die App. Noch bevor ich jedoch Fotos hochladen und die Anzeige online stellen konnte klingelte mein Handy. Ich geh dran... Ja Hallo?!

Sie haben Wagen verkaufen?

Hä? Woher wissen Sie das?

Haben Anzeige bei ebay...

Hääääh? Die ist doch noch gar nicht online!?

Ist Auto fahrbereit?

Nein. Steht aber in der Anzeige.

Konnte ich noch nicht lesen...kam nur Info über System, dass Auto...Sharan verkaufen.

Hä? Wie geht DAS denn?

Er fragt mich verschiedene Sachen, auf die ich mich sogar vorbereitet hab. Baujahr, Kilometerstand, PS, was ist alles defekt...

Ich gebe Ihnen 150€ und sind sie die Wagen morgen los.

Och...der frisst kein Brot.

Ja aber der Wagen fährt nicht.

Hab ich nicht verheimlicht. Wenn er fahren würde, würde ICH ihn fahren. Und ganz sicher hätte ich ihn nicht für 500€ reingestellt, ge?

Was ist ihre Schmerzgrenze?

Ähm. 400.

Komm ich morgen und geb Ihnen 300 und erledigt._

SIE können mir ihre Tel.nr. geben und falls ich den Wagen nicht loswerde für meine 400 melde ich mich.

Geb ich Ihnen 300,-

Nö.

Ja aber die anderen werden auch nur 150€ bieten.

Werd ich ja sehen.

Ok. 400? Ich komme morgen und hole die Wagen. Sie müssen versichern, dass nicht verkaufen an andere. Bestätigen Sie mir mit email. Und vereinbaren wir Passwort für Abholung und wenn schreibe ich Ihnen. Sagen Sie eine Wort. Eine Passwort. Denken Sie sich aus!
_
Warum?

Ja weil kommen andere Händler und kaufen in meine Namen Auto. Bei Passwort kann nicht passieren._ (O.M.G. Wie mafiös! Ich muss dem Ganzen gegensteuern: )

Sonnenblume.

Was?

Sonnenblume.

Ihre Passwort? Sonnenblume? Ok. Sie bekommen mail...bestätigen und Anzeige deaktivieren, ok? Machen Sie bitte gleich an Rechner.

Ich koche.

Was?

Nudeln. Nein...Ich bin nicht am Rechner. Ich koch grad.

Bitte Sie machen gleich.

Ich habs am Handy hochgeladen und wenn Sie jetzt nicht auflegen kann ich gar nichts.

Ok. Ich schicke Fahrer morgen.

Wann?

Zwischen 11 und 12.

Ok.

Während des Telefonats hat es die ganze Zeit im Hintergrund angeklopft. Ich lege auf und ab geht’s. Es klingelt. Entnervt ziehe ich meine Töpfe vom Herd. Unbekannte Nummer. Da geh ich prinzipiell schon nicht dran. Ich wische sie weg. Erfolglos. 10x, 20x...es geht nicht. Oder ist das immer wieder ein neuer Anruf? Ich wische und wische...denke, das Telefon ist kaputt. Irgendwann geh ich einfach dran.

Hallo? Ist Auto fahrbereit?

Nein, steht auch in der Anzeige. Ist aber schon vergeben.

Für wie viel? Isch gäb Ihnen 150...morgen holen_.

Der Wagen ist reserviert.

An wen? Haben Sie schriftlich gemacht? 150 und erledigt.

Nein....ich hab noch n Batzen Anfragen...da wird schon einer zuschlagen. Das Telefon bimmelt wie verrückt!

Immerhin hat er noch n Tipp für mich: Sie mussen Handy ausschalten 10min., dann hört auf. Ist System und ruft automatisch an. Alle rufen sie disch an.

Gut. Ich schalte also das Telefon für 20 min aus. Sicher ist sicher. Als ich es wieder anmache: Mailbox Nachrichten. Speicher voll. Bitte löschen Sie einige ihrer Nachrichten. Ich hör also die Mailbox ab. Dies ist die Mailbox von: 0...1...7...3...Warum sagt die doofe Kuh mir immer meine eigene Nummer an? In Zeitlupe!? Sie haben 58 neue Sprachnachrichten. Nachricht 1. Empfangen heute, 19Uhr 9. (Diese Ansage dauert gefühlt ne Minute. Ommmm.) Dann: Nichts. Hat keiner drauf gesprochen. Zum Speichern drücken Sie die 9. Löschen mit 7. Ich drücke die 7. Nachricht gelöscht. Nächste neue Sprachnachricht. Empfangen heute um 19Uhr 9. Ich dreh durch. 58x dieses Prozedere!!!!!!!!!

Ich beantworte die Mail des Händlers, dem ich das Auto versprochen habe und frag meine Nachbarin, ob sie morgen Zeit hat, mich zu unterstützen.

Morgens kurz nach 9 klingelt das Telefon: Hier ist Sonnenblume. (Herrlich) Ich bin in 20 min bei Ihnen. Na super. Ich springe aus dem Schlafanzug, ruf meine Nachbarin an. Kannst du bitte rüberkommen? Ich brauch Verstärkung! Oder einen Zeugen. 20min später fährt Achmed auf den Hof und glücklicherweise auch meine Nachbarin. Achmed ist 30 und schüchtern und beginnt, um mein Auto zu schleichen. Öffnet Türen, streicht über die Sitze... Oh Oh Oh...die Fensterkurbel fehlt ja. Ich zucke die Schultern. Ohohoh...und der Spiegel ist kaputt. Jaaa. Da muss er erst noch mal mit dem Chef sprechen. Is klar. Achmed, die Nummer kannst du dir sparen! Wegen der Fensterkurbel werd ich nicht mit mir verhandeln lassen. Ja aber haben Sie nicht vorher gesagt! DAS IST EIN AUTO ZUM AUSSCHLACHTEN! Ne Fensterkurbel kostet 6 Euro! Wie viele km hat der Wagen runter? Immer noch 323000. (Das hab ich nun schon 30x gesagt). Er telefoniert mit dem Chef. Kommt dann zu uns Mädels die Treppe rauf. Magst du auch einen Kaffee? Nein danke, ich faste. Ah stimmt. Ramadan. Du hast schöne Augen! schleimt der kleine Ganove. Jaaaa, aber das ändert gar nix! Du musst mit Preis runtergehen. Ja, 6€. Wieder ruft er den Chef an. Der will dann mit mir sprechen.

Frau Ribbe, erstmal danke ich Ihnen, dass Sie den Wagen reserviert haben...blabla bla...Aber da müssen wir am Preis noch was drehen. Nein, müssen wir nicht. Ich bin Ihnen gestern schon mit 100€ entgegengekommen, oder? Ja, aber ich habe nur zugestimmt, wenn das Auto so da steht wie Sie es beschrieben haben. Ich rolle die Augen. Sie können sich das Prozedere sparen. 400€ oder Sie fahren eben wieder los und haben die Tour umsonst gemacht. Ist mir egal. Wie viel Kilometer hat der Wagen runter? Ommmm. 323000. Der Fahrer soll das mal prüfen! Achmed versucht zu starten. Sehr witzig. Dann öffnet er die Motorhaube. Die Batterie ist weg. Haben Sie die ausgebaut? Was? Die Batterie ist nicht da! Der Chef am Telefon: Na die kostet allein 200€. Und wir können nicht mal überprüfen, ob der Wagen wirklich 323000 runter hat! Ich gucke ungläubig unter die Motorhaube. Moment, ich muss meinen Schrauber anrufen, ob der die ausgebaut hat. Machen Sie das und holen sie die bitte. Ohne Batterie... Ich leg auf. Rufe meinen Schrauber an. Ray, sag mal ich will grad mein Auto verkaufen...hast du die Batterie ausgebaut? Hä? Nein? Warum? Die is weg. Ok. Sie ist weg...sag ich zu Achmed, der sofort seinen Chef anruft. Chef will mit mir sprechen.
Sie werden einsehen, dass Sie jetzt mit dem Preis runtergehen müssen. Sagen wir 300€. Ich gehe noch mal 50 runter, keinen Cent mehr. Blablabla.... 350,-oder Achmed kommt ohne Sharan wieder auf den Hof gerollt. Geben Sie ihn mir bitte noch mal. Langsam bin ich angenervt.

Aber Achmed holt ein Bündel Geld aus der Tasche und zählt mir 350€ vor. Mehrmals. Falls ich nicht rechnen kann. Dann beginnt er am Lenkrad des Wagens rumzukurbeln. Er müsste ihn(ohne Servolenkung wohlbemerkt) ein Stück zurück und Richtung Transporter schieben. Ich bin gespannt. Meine Nachbarin kichert. Dann erscheint sein Kopf hinterm Auto und er nuschelt schüchtern: Isch schaff das nisch allein. Eeeeecht?

Oooooh...das hat ihn Überwindung gekostet. Wir feixen, helfen dem jungen Mann aber gern und schieben den Wagen einmal rückwärts, einmal vorwärts zum LKW. Achmed lässt sich Zeit. Gewissenhaft verzurrt er sämtliche Gurte...prüft...wackelt.

Unruhig schiele ich auf die Uhr. Meine Güte! Ich beginne schon mal den Vertrag auszufüllen. In solchen Situationen is mir immer etwas unwohl. Als würde man seine Seele dem Teufel verkaufen. Oder zumindest ungewollt eine Niere verhökern. Oder oder. Ich unterschreibe mit angehaltener Luft. Was solls. Man kann auch mit einer Niere klarkommen. Tatsächlich ist Achmed irgendwann fertig und verabschiedet sich brav.

Und wie er so losrollt wird mir echt schwer ums Herz. Nicht wegen Achmed! Wegen meinem Auto. Wir sind weit gereist beide. Und auch wenn er irgendwie spießig war...man hängt ja an so nem Tier. Äh, Auto.
Machs gut Baby.

Und nun isser weg. Und ich fahr ne noch spießigere Karre. Aber immerhin mit nem Stern vorne dran. Sitzt sich wie Wohnzimmer. Und ich liebe ihn. So richtig.