Abenteuer Wohnmobil- Unterwegs mit Paul Camper

Sowas wie ein Reisebericht. Nur länger. Viiiel länger.

Da dachte ich doch bis vor Kurzem, ich wäre cool. Tzzz. Meine Vokabeln zu einem Urlaub mit einem Wohnmobil waren irgendwas zwischen abenteuerlich und romantisch. Während des Trips kamen andere hinzu. Anstrengend, kompromissbereit, erfinderisch… Und die Erkenntnis: Ich bin nicht cool, sondern spießig. Ob ich es wieder tun würde? Achtung, Spoileralarm: Jederzeit!

Aber von vorn.

Meine schönsten Urlaube waren bisher die, in denen ich mir nur ein Land überlegte, in das es gehen sollte. Frankreich, Kroatien…Dann legten wir noch den Zeitraum fest und das wars dann auch schon an Planung. Wir packten die Kinder und ne Menge Krempel in unseren T4, und los ging’s. Wir zelteten dort, wo es uns gefiel. An einem See, Fluß, in den Bergen, unterm Apfelbaum bei nem Bauern. Großartig. Freiheit, Abenteuer. Heute kreischen meine Hüftgelenke beim bloßen Gedanken an eine Isomatte laut auf. Und wenn ich an die flüssige Butter denke, die wir mangels Kühlschrank beim Zelten auf unser Baguette plemperten…nee, das brauch ich nicht mehr.

Ja, das sind erste Anzeichen von Spießertum. Ich bekenne mich.

Wohnmobile fand ich immer cool. Neidisch habe ich geseufzt, wenn sie mir begegneten. Schon immer. Aber das Geld, um mir einen zu kaufen, hatte ich auch schon immer… nicht.

Als ich Paul Camper kennenlernte war das wie ein Wink des Schicksals. Nicht nur, weil wir anscheinend seelenverwandt sind, sondern wegen seiner Onlineplattform, auf der man von Privatleuten Camper mieten kann. Vom umgebauten Schulbus oder Feuerwehr bis zum fetten, perfekt durchdachten Schickimicki- Hightech- Mobil. Also sowas wie 3Zi/Küche/Bad/ Garage. Eijejei.

Ich kramte auf der Website und fand Mary. Mary ist ein älteres Mercedes- Mädchen und bekam ihren Namen nach Mary Poppins Handtasche, wie Sina, die Besitzerin mir später am Telefon erzählt. „Sie ist ein echtes Stauraumwunder!“ Mary hat ein paar altersbedingte Allüren, aber schnurrt zuverlässig. Und ich denke: Klimaanlage? Brauch ich nicht. Und 90km/h? Reichen völlig. Ich bin cool und will entschleunigt und oldschool durch die Lande reisen. Bis Frankreich in einem Rutsch, dann plätschern. Aaaaach, ich Dummerchen!

Die Telefonate mit Sina sind immer unterhaltsam und wir reden über Mary, als wäre es eine liebe Verwandte. Kurz bevor unsere Reise beginnen soll, schwächelt die alte Dame allerdings. Es riecht nach Gas ab und an, der Tankdeckel ging verloren, die Wasserpumpe ist defekt. Mary muss noch einmal in die Werkstatt, oder besser: zum Onkel Doktor. Der gibt sein ok., nur die Wasserpumpe wird bis zur Abreise nicht funktionieren. Pah! Dann wasch ich halt in einer Schüssel ab. Davon mach ich ja nu nich meinen Urlaub abhängig!

Für große Vorbereitungen habe ich keine Zeit. Da ist noch eine Hochzeit und 2 Familienshoots, die aufgearbeitet werden müssen…mehrere Mails und…ach, wie das so ist. Erst am Nachmittag vor unserer Abreise beginne ich zu packen und stapel Beutel um Beutel in der Diele. So clever war ich zumindest: Mit Koffern zieht man nicht in einen Camper! ;-) Mein Jöwes ist bereits seit gestern hier, meine Schwester, die das Haus hüten wird, kam gerade. Wir grillen noch unterm Regenschirm und gehen relativ früh schlafen.

Die Nacht vorm Urlaub ist immer kurz. Egal, wann du ins Bett gehst oder aufstehen willst. Bissl aufgeregt ist man ja doch, ge? Und ich hab mich seit fast 4 Monaten drauf gefreut! Meine Nacht ist um 6.30Uhr vorbei. Ich stehe auf, koch mir einen Kaffee, betreibe intensive Körperpflege. Haare waschen, Beine rasieren, Nägel feilen, lackieren…Das komplette Programm. Denn: Wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu komme. Ich Fuchs.

Der Stapel in der Diele ist inzwischen mehr so ein Haufen. Wow. Meine Nachbarin bringt mir noch einen Topper für die Matratze im Bus mit den Worten: Ein Urlaub, in dem man kein Auge zukriegt, ist kein Urlaub. Die Gute. :-) Jöwes fährt noch zum Friseur, wir frühstücken. Ich schmiere noch ein paar Brote für unterwegs und pünktlich um 10Uhr rollen wir los in Richtung Bernau, um Mary in Empfang zu nehmen. Die Aufregung steigt bei allen. Keine 5 Min. nach Ankunft sehen wir Mary die Straße heraufkommen. Sina hupt von Weitem und wir antworten mit einer 3- Mann- Laola. Die Begrüßung ist herzlich und fühlt sich an, als wären wir seit Jahren befreundet.

Die Einweisung dauert 1 Stunde 40! Wow! Aber Sina ist gründlich. Den Gashahn auf-und zudrehen…Schlüssel hierfür, Schlüssel dafür, beim Tanken beachten: …die Tür so rum aufschließen, die so rum, die geht nicht aufzuschließen, also von hinten den Hebel…die Fensterkurbel abnehmen…wenn die Temperaturanzeige hochschnellt, oben drauf klopfen…die Bank wird so hin und her…der Kühlschrank funktioniert mit Gas…deshalb folgende Schritte…Sina lässt uns alles selber probieren, bis es klappt.

Oh. Mein. Gott. Genau darum hab ich beide Jungs mitgenommen. Das hätte ich mir nie alles gemerkt! Ich Fuchs.

„Magst ne Proberunde fahren?“ fragt mich Sina und ich schlage vor, sie heimzubringen. Uiuiuiiii…Die Gangschaltung ist abenteuerlich, nicht nur, weil sie andersrum ist, sondern man ne Menge Gewalt plus Feingefühl braucht, um die Gänge reinzukriegen. Trotz der Länge ist auch das Ausparken kein Problem und ich fahre los. Sina ist ob meiner Fahrkünste sichtlich erleichtert und winkt uns später lachend hinterher.

Ab jetzt also Urlaub. Auf der einzigen CD, die noch im Radio hängt, Depeche Mode. Whooooooo! Geil! Wir schaukeln mit Mary zweieinhalb Stunden Richtung Zernitz… und ich bin völlig erledigt. Meine Beine schmerzen. Die Pedale im Fußraum sind so hoch, dass ich die Füße komplett hochheben muss, um Kupplung/ Gas/ Bremse zu treten. Ich klemme mir den linken Fuß unter den rechten, aber es hilft nur bedingt. Und das Getriebe knallt beim Schalten, als wenn es sich gleich verabschiedet. Oh Mann, und ich will bis Frankreich???? Dazu diese Hitze!

Erkenntnis Nummer 1: Ne Klimaanlage wär schon geil!

Daheim fahren wir an die Rampe. 17.30 Uhr und ich könnte direkt ins Bett gehen. Den Jungs gehts genauso. Fast plädiere ich dafür, noch eine Nacht hierzubleiben und morgen zu starten. Aber das wär irgendwie doof. Also beladen wir Mary, füllen sämtliche Fächer. Was für ein Gewühle! Bugsieren die Fahrräder hinten drauf, füllen Wasser in einen Kanister…

Der Schweiß tropft uns von der Stirn. Also noch mal duschen, einen Kaffee trinken und…nee, Moment. Ich muss noch irgendwas unter meine Füße legen wegen der Pedale. Joseph holt ein großes Stück Holz aus der Scheune.

Jetzt aber. Wir hupen und winken meiner Schwester…20 Meter. “Nee, Jöwes, so kann ich nicht fahren!“ Ich halte noch einmal und renne in die Scheune, um noch etwas besser geeignetes als dieses Holz zu finden. Eine Ytongplatte greife ich mir und siehe da: perfekt. So wird’s gehen. Meine Schwester leiert mit den Augen und meint mit Blick auf die Uhr: "Gantikow is ja auch sehr schön.“ „Mein Tagesziel heute ist Nauen“, rufe ich ihr zu, und so richtig lachen kann ich darüber nicht.

Winken, hupen, Abfahrt. Mann, bin ich froh, einen Haussitter zu haben! Sonst hätte ich noch den Abwasch machen müssen, Kühlschrank leer räumen, Müll wegbringen, gießen, Nachbarin bitten, sich um die Tomaten zu kümmern…ihr kennt das.

Mit den Rädern im Rückspiegel und so schön bepackt fühlt es sich jetzt tatsächlich nach Urlaub an. Wir halten in Neustadt am Supermarkt und kaufen ein paar Kleinigkeiten. „Wir haben heut noch nix weiter gegessen, ne?“ meldet mein Ältester Hunger an und so kaufen wir beim Bäcker ein paar große belegte Baguetts. Kaum gegessen meint er. „Das war jetzt aber nur n Tropfen auf den heißen Stein…“ Ommm. Also fahre ich noch ein Stück weiter zum Döner- Mann. Um kurz vor 19Uhr ruft mich mein Liebster an. „Und? Wo seid ihr?“ In Neustadt. „Häääääääh????“

Ja, Wahnsinn. Aber jetzt gehts los. Wirklich. Die B5 genieße ich wie noch nie. Was nervt mich sonst diese Strecke!!! Die Sonne geht so langsam unter und macht ein wunderschönes Licht, links und rechts werden die Felder gemäht und ab und an verschwinden wir in einer dicken Staubwolke. Jöwes hat den Soundtrack von Into the Wild eingelegt, einem sehr geilen Film über einen jugendlichen Aussteiger, die Songs sind alle von Eddie Vedder. Das Licht, die Mucke…großartig.

Als wir Nauen links liegen lassen, Jubel. Ha! Erstes Etappenziel erreicht!

Vor der Autobahn grault es mich ein bissl. Aber ehrlich? Ich bin noch nie so entspannt auf der AB gefahren! Ich reihe mich in die Spur der wenigen LKWs ein und fahre einfach konstante 95km/h. Ich muss mir keine Sorgen machen, ob mich einer von links wegbäscht oder mich von rechts nicht sieht. Perfekt.

Vors Fenster hänge ich mir einen Schal, damit die Sonne mir nicht den Arm wegbrennt. Also so ne Klimaanlage…oder wenigstens ne Lüftung…? Die funktioniert aber leider nicht. Macht nur Lärm. Als ich es zum 10.Mal versuche zischt Jöwes leicht entnervt: „Sie. Geht. Nicht.“ Ist ja gut!

Wir halten 2x. Einfach so. Holen uns Kaffee, machen Pipi, rauchen ein Zigarettchen. Wir werden wohl die erste Nacht auf nem Rastplatz verbringen. Aber das ist irgendwie gruselig. Und laut. Und so guckt Jöwes auf der App nach einem Stellplatz. Möglichst an einem See bitte. Kurz vor Köckern fahren wir ab.

Erkenntnis Nummer 2: Nicht erst im Schummerlicht nach einer Stelle zum Übernachten gucken!!! Den See gibt es. Der Weg dorthin jedoch ist ein Privatweg und das Befahren wird unter Strafe verboten. Hmmm. Super. Wir sind noch zu ängstlich, um trotzdem zu fahren. Also suchen wir weiter. Ein Campingplatz soll hier irgendwo sein. Immer wieder springt Joseph aus dem Camper und guckt, wo der Weg weitergeht. Das letzte, worauf ich jetzt Lust hätte, wär irgendwo festzuhängen mit dem Riesenteil.

Kurz bevor ich nervös werde finden wir ihn. Mitten im Wald, der See dahinter erahnbar. Wir stellen den Camper vors Tor und fühlen uns nicht ganz so allein für die erste Nacht. Betten bauen (klappt wunderbar), Schlafplätze verteilen (Jungs oben, Mama unten), Zähne putzen mit ner Flasche Mineralwasser, Pipi im Wald, „Wertsachen oben im Alkoven hinten an den Füßen verstecken, schlaaaafen!

Tag 2, Mittwoch

Natürlich bin ich als erste wach. 6.30Uhr. Ommm. Senile Bettflucht. So leise es geht, (es geht nicht!) schiebe ich die Seitentür auf. Die Jungs schlafen trotzdem weiter. Ich mache Pipi im Wald, hole mir vorsichtig einen Stuhl aus dem Bus und ein Buch und genieße die morgendliche Kühle. Es riecht herrlich nach Kiefernwald und Mary wird im Licht der aufgehenden Sonne von hinten so herrlich angestrahlt, dass sie wie erleuchtet scheint. Urlaubsfeeling. Als sich um 9 noch immer nichts regt im Bus, riskiere ich es, mir einen Kaffee zu kochen. Kann nun wirklich keiner von mir verlangen, dass ich 2 Stunden ohne Heißgetränk vorm Camper kauere. Die Jungs stört das dann doch und zumindest räkeln sie sich.

Erkenntnis Nummer 3: Ein (zusätzlicher) Campingkocher für draußen ist gar nicht verkehrt.

Jöwes steckt als erster seinen Kopf aus der Kombüse. „Na? Gut geschlafen?“ „Gefühlt gar nicht.“ Knirscht er. „ Das war sooo eng! Und schweinewarm!“ Hmmm. Doof. Für den Aufbau des Campingtisches brauchen wir NUR 20 min. Tzzz. Der dritte Stuhl sieht allerdings wenig Vertrauen erweckend aus und wandert in die Kiste. Haben ja unseren kleinen Hocker, mit dem man besser in den Camper rein und rauskommt. Unser Frühstück ist recht mager, aber trotzdem großartig. Campingfeeling.

Aber dann…Kaffee, Frühstück…son Darm ist ja verlässlich. Oh nee. Ignorieren. Andersrum…noch sieht uns niemand vom Campingplatz. Und der Wald bietet sich an. Also so unauffällig wie möglich Schippe und Klopapier greifen und einen Spaziergang vortäuschen. Ist das peinlich.

Für meine Kreativität bin ich grundsätzlich ja dankbar. Gerade eben macht sie mich fertig. Ich sehe mich im Gebüsch hockend mit einem Wanderer konfrontiert, oder gar einem Reiter, der von oben auf mich herabblickt…sehe einen Hund, der sich in meinen Hinterlassenschaften sühlt und stinkend zum Herrchen zurückrennt…Hilfe! Ich buddel ein Loch in den harten Boden, das groß genug ist, um dort drin notfalls vor Scham zu versinken. Ich bin fix und fertig.

Als ich zurückkomme beäugen mich die Jungs. Der Diabolo spielende Jöwes meint zackig: „Ich will nichts wissen!“ Ich tue blöd. Halte die Schippe in die Luft und sage: „ Und wie krieg ich die Schippe jetzt sauber?“ Joseph lässt sein Diabolo fallen. Diese Gesichter! Unbezahlbar! Trotzdem sie wissen, dass das ein Scherz war sind sie kurz davor, sich zu übergeben. Ich entschuldige mich und stecke die Schippe in das Seitentäschchen. Dort beäugen wir sie nun allerdings alle drei angewidert.. Hilfe!

Erkenntnis Nummer 4: Son Klo im Camper wär vielleicht doch gar nicht sooo übel.

Mehrere Campingplatzbewohner fahren mit ihren Miniklapprädern an uns vorbei, halten an, fragen nach dem Nummernschild. Wir sind aus Brandenburg, erklären wir mehrmals, das Auto gehört nicht uns. Wenn ihr rauf wollt, müsst ihr klingeln! rät man uns wiederholt. Aber wir wollen nicht rauf. Eigentlich wollen wir nur kurz noch mal ins Wasser springen und dann weiter. Wir schnappen uns ein Handtuch und laufen los. Im Schlafdress. Wir vermuten das Wasser am Ende des Zauns. Aber der Zaun zieht sich. Mein Gott, wie groß kann denn so ein Campingplatz sein? Nach gefühlt 5 km ein Blick zum See und die Erleuchtung: Hier nix baden. Wenn, dann auf der anderen Seite im Strandbad. Also wieder zurück, alles einpacken, losfahren. Rund um den See.

Das Strandbad sieht verlockend aus. Bzw. das Wasser. Ich verhandel mit der Chefin: 5€ für ne halbe Stunde planschen. 3x Tagessatz erschien mir zu teuer. Sie lässt sich breitschlagen. Traut uns aber nicht, denn eine ihrer Angestellten beobachtet uns ungekonnt unauffällig. Das Wasser ist herrlich frisch und klar. Es zischt förmlich, als wir johlend eintauchen. Brav greifen wir nach exakt 25min. unsere Klamotten und winken Miss Marple, die sich prompt erschrickt.

Grad wie ich so überleg, wo wir hier eigentlich sind, kommt ein Kleinwagen auf den Parkplatz gebrettert. SIE (um die 30, toupiertes Haar) steigt aus und zetert. Gannste ma ordentlisch mit meim Audo fohrn? Bei deim haste disch immo so bescheuard! Aha. Sachsen. Dann zerrt er wenig feinfühlig eine Luftmatratze aus dem Twingo. Sie- nun kurz vorm Herzkasper: Du sollst nisch so mit meim Audo … Darauf er, sichtlich genervt: Nu krieg disch wiedo ein! Des is ne Luftmodrotze und kään Boom! Ich muss mich wegdrehn, sonst zerlegt es mich. Der Satz begleitet uns den ganzen Urlaub. Wie geil!

Wir fahren auf die Autobahn. Aber es nervt irgendwann. Diese Hitze! Mein Arm schmurgelt weg. Ich hänge noch mehr Tücher ins Fenster. Die Lüftung sagt keinen Muchs. "Wie oft willste das denn jetzt noch probieren?" fragt mich mein Sohn, als ich wiederholt an den Knöpfen drehe.

Ich will keine Autobahn mehr! Also fahren wir runter, Weinstraße, Thüringen, Naumburg. Schön. Echt schön. Allein die Strecke. Wir halten an der Saale, essen eine Thüringer Bratwurst, finden sogar eine Stelle, an der man in den Fluss steigen kann und ich bleibe im Wasser, bis meine Haut schrumpelig ist. Nur so lassen sich die 40° aushalten. Meine Fre…

Wir plauschen erst mit ein paar älteren Damen neben uns, dann mit einem jungen Mann, der seinem Hund Stöckchen ins Wasser wirft. "Wo badet ihr hier so in der Regel? Gibts irgendwo nen See? N Freibad am Fluss?" frag ich spaßhalber, denn ich hätte nichts dagegen, einfach hierzubleiben. Er schüttelt bedauernd den Kopf. "Sowas gibts hier nicht". Und wieder fällt mir der Kusenk ein, der uns Brandenburger um unser vieles Wasser beneidet. Das war mir bis eben gar nicht bewusst.

Also fahren wir trödelig weiter. Links und rechts werden die staubtrockenen Felder abgemäht. Am späten Nachmittag fahren wir wieder auf die AB, schließlich müssen wir ein paar Kilometer schaffen. In Hessen wirds grüner. Der Mais steht 2m hoch und die Straßenränder sind quietschebunt. Verrückt. Als hätte jemand den Schalter umgelegt. Regen an, aus. Ich freue mich über die herrliche Landschaft. So macht reisen Spaß.

Bis wir die Kasseler Berge erreichen. Die sind schon mit nem normalen PKW ne Nummer. Unsere Mary beschwert sich. Wird immer langsamer. Als Joseph sich weit zu mir rüber lehnt, um aufs Tacho zu gucken, gebe ich ein angespanntes: Jaaaa, 35km/h von mir. Ich könnte heulen. Schwitze wie ein Idiot. Gucke ängstlich in den Rückspiegel und kann die Kolonne der LKWs hinter uns nicht ignorieren. Wir führen sie im Schneckentempo durch die Baustellen. Als sie uns später überholen, ziehe ich die Tücher noch etwas weiter vor mein Fenster. Ist das peinlich! Hilfe!

Bei längeren Strecken bergab zuckel ich dann wieder an den selben Lastern vorbei. Schließlich fahre ich dann 10km/h schneller und brauche den Schwung für den nächsten Hügel. Ich entschuldige mich abwechselnd bei Mary und bei den LKW- Fahrern. Aber die hupen beim 3.mal freundlich und grüßen lachend. Also wenn DAS keine „lerneSchamgefühleauszuhaltenTherapie" ist…?

Blöderweise verpasse ich dann auch noch die Ausfahrt und muss die halbe Strecke zurück. Boah. Ich könnte rechts ranfahren und aussteigen. Und weiter trampen. Oder einfach sitzen bleiben. Booooaaaaah. Bevor es ganz dunkel wird fahren wir ab. Wieder zu spät. Also schnell zu Mc Doof, dann Stellplatzsuche. Werden fündig in Bad Homberg. Nicht so schön wie versprochen, aber schöne Aussicht (leider isses ja schon dunkel), Strom, Wasser und Kloooooooo! Yeaaaaaaah!

Heut muss ich oben schlafen, Jöwes will sich mal lang machen können. Als ich mir meinen Nachtdress überstreife gehe ich noch mal Sinas Anleitung durch, wie man am besten in den Alkoven klettert. "Jungs, dreht euch besser weg, das wird jetzt echt unschön!" weise ich meine Söhne an. Sie drehen sich sofort um. Wenn ich selber schon ankündige, dass etwas peinlich wird…oha.

Ich schaffe es irgendwie. Lasse mir unsere Wertgegenstände nach oben reichen, die ich im Fußraum verstecke und dann. Schlaaaafen.

Tag 3

Schlafen? Naaaja. Dösen vielleicht. Ich bin total gerädert. Auch ich konnte mich da oben nicht lang machen. Der arme Jöwes! Dazu diese Hitze! Und das Geschaukel! Sowie sich einer umdreht, schaukeln alle mit. Mir ist schlecht. Ich muss dringend raus an die Luft. Der Abstieg ist NOCH peinlicher. Erstmal muss ich mich nämlich einmal komplett drehen, um mit dem Hintern, nein, Füßen zuerst blind nach Halt zu suchen. Dafür habe ich 40cm Platz in die Höhe, 40 in die Breite. Und möglichst, ohne meinem Richard, der neben mir liegt, dabei die Zähne mit meinen Haxen auszuschlagen. Das gelingt mir. Dafür stehe ich dann unten fast mit einem Bein auf Josephs Unterarm. Ziehe aber mein elfenhaftes Federgewicht schnell noch mal hoch. Indem ich mich an Richards Arm kralle. Nun gucken mich 2 Augenpaare wortlos an. Ach, es ist wirklich der Wahnsinn, was ein einziger Blick alles aussagen kann.

Ich setze mich draußen auf eine Bank und kann nicht mehr aufhören zu lachen. Eine arme Irre im Nachthemd. Wenn das bloß aufhören würde zu schaukeln! Ich fühle mich seekrank.

Wir essen unser inzwischen altes Brot, trinken Kaffee…Gasabdeckung aufschließen, Hähne aufdrehen, Wasser holen, Gaskocher an, hinterher Hahn wieder zu, Abdeckung abschließen,(Es riecht permanent nach Gas), Stromkabel einrollen…Jaa, man hat so sein Tun. Abwasch muss warten. Zu umständlich, und inzwischen schon wieder viel zu warm. Also scheppert unser Plastegeschirr im hinteren Teil des Wagens, während wir wieder auf die Autobahn biegen. Heute nervt alles. Die schwere, laute Schaltung, der Gasgeruch, die Hitze.

Bei einem Schild erinnere ich mich plötzlich an das Kloster Eberbach. Da war ich vor …ähm…27 Jahren (O.M.G.) mit meinem Freund Knut. Wir beschließen einen Umweg zu machen, denn ich weiß, da im Kloster wurde damals der Film „Name der Rose“ gedreht. Mir kommt fast alles sehr fremd vor, Klasse ist es trotzdem allemal. Nicht nur die Bibliothek, aus dem Film bekannt, sondern auch die riesigen Weinpressen der Mönche. Außerdem ist es herrlich kühl.

Wir springen sogar ein paar mal durch den Rasensprenger, um uns abzukühlen. In Richtung Parkplatz entdecken wir den kleinen Bach. Er ist mit Feldsteinen eingefasst. Eine kleine Treppe führt ins kühle Nass. Das Wasser ist nur knöchelhoch, aber so herrlich kalt, dass uns fast die Beine abfrieren. 2 junge Frauen kommen dazu, die im Büro des Klosters arbeiten und anscheinend hier immer ihre Mittagspause verbringen. Sie zögern, als sie unsere Köpfe hinter der kleinen Mauer sehen, aber wir winken sie heran. Und so stehen wir eine halbe Stunde in einer Reihe im kühlen Nass und plauschen über Gott und die Welt. Sehr amüsantes Bild vermutlich, denn die vorbeikommenden Touris lachen jedes Mal. Ist egal. Die Hitze macht mich wahnsinnig. Aber auch die Mädels bedauern, dass es hier weit und breit keinen See oder badetauglichen Fluss gibt.

Dann wieder ins heiße Auto und die Abkühlung…für den Hintern. Sozusagen. Wir suchen im Netz nach Badeseen. Flüssen mit Badestelle. Wir finden irgendwo einen Parkplatz (wieder in der prallen Sonne), denn laut Internet soll es hier…Also alles abschließen…loslatschen. Beton, Beton, Hitze, blubbernde Hundekacke…dann endlich eine Fußgängerunterführung. Und siehe da: neben der vielbefahrenen Schnellstraße der Rhein…riesig, wellig, breit, imposant, befahren von riesigen Schleppern…und badeuntauglich.

Ich würde heulen, wäre ich nicht so ausgetrocknet. Also wieder zurück. Ins Auto, dass nun noch 5° aufgeheizter ist. "In der Nähe ist ein Freibad!" freut sich Jöwes mit Blick auf die Karte. Na dann? Nix wie hin! Das Freibad gibt es. Das Becken ist so groß wie ein Volleyballfeld. Man sieht kein Wasser, nur Köpfe. Die Wiese drum rum- also ich vermute, es ist eine Wiese, denn man sieht kein Gras, nur Körper- so groß wie 8 Fußballfelder. Der Parkplatz allerdings, von dem noch immer Menschen mit Badetaschen strömen- 8x Ikeafläche inkl. Parkplätze. Alles klar? Leider ist die Mary zu schwerfällig, um die Reifen durchkratzen zu lassen, aber so schnell es eben geht, machen wir uns davon. Genau genommen mit 35km/h wieder die Steigung zur Schnellstraße hoch, auf die wir dann nach 15min und viel Mut zum Risiko auffahren.

Nach weiteren endlosen Kilometern auf der Autobahn…es waren bestimmt nur 40…halte ich an einer Raststätte. Wir sind die einzigen Gäste in dem riesigen Teil und kaufen Eis, kalte Getränke und alles, was kühl erscheint…als kämen wir direkt von einem langen Wüstenritt. "Jungs! Lagebesprechung. Wir werden so nie in Frankreich ankommen. Und ganz ehrlich? Was, wenn wir in Frankreich sind? Dann fahren wir die ganze Strecke wieder zurück? Genauso gestresst? Nee. Das wird so kein Urlaub!" Ich könnte mich glatt an die Ostsee beamen.

Den Jungs gehts genauso. Und Richard sagt ganz einfühlsam: Wir müssen auch ein bißchen an Mary denken. Die mag keine Berge. Schlapp suchen wir auf der Karte nach Alternativen. Wie weit ist es zum Bodensee? Ostsee? Elbe? Zu weit. Alles. Wir beschließen, uns einen schönen See oder Fluss zu suchen, wo wir einfach ein paar Tage bleiben. Ganz ehrlich? Wir finden nicht mal UNschöne! Wir finden gar keine!

Kurz vor der Kapitulation: Silbersee. Yeaaaah! Die Größe des Parkplatzes und die strömenden Massen lassen unser Yeaaah immer kleiner und kümmerlicher werden. Die Wiese…sowas hab ich noch nicht gesehen! Ist das n Festival? O.M.G. Soooo viel junge Leute! Alle Nationen. Von jeder Decke dröhnt ne Lautsprecherbox mit Rap, Hip Hop, Techno, Metal. Wir laufen, laufen, laufen, bis wir wenigstens einen Platz für unsere Decke finden. Ist alles egal. Hauptsache Wasser. Ich lasse zuerst die Jungs ins Wasser. Unsere „Wertsachen“ unbeaufsichtigt…nee, lieber nicht. Und dann bin ich dran. Das Wasser ist…Pisswarm. (Sorry). Och nöö. Aber wenn man lange genug drin bleibt und sich dann nicht abtrocknet, isses dann doch eine Linderung. Ich versuche, die „Gespräche“ links und rechts zu ignorieren. Pubertisten am Flirten, Pöbeln, Labern. Irgendwann guckt mich Jöwes an und nuschelt tonlos: Können wir los? Isch dreh dursch, isch schwörs, Alda!

Genau. SO. Wir verbummeln uns und fahren erstmal einkaufen. Und weil es in dem riesigen Supermarkt, wie ich sie nur aus Kroatien oder Frankreich kenne, so herrlich kühl ist, lassen wir uns Zeit. Wir kaufen unnötig viel Zeugs. Alles was frisch ist oder den Durst löscht. Obst, Joghurt, Getränke, Salat.

Dann suchen wir wieder einen Stellplatz und finden keinen. Wieder viel zu spät. Wir stellen uns irgendwann einfach an den "Nachbar"Silbersee. Kein Strom, kein Trinkwasser, baden nicht möglich, kein Klo. Wir kleben. Trotzdem isses irgendwie schön. Am anderen Ufer steht eine unecht aussehende Brücke oder so. Bei Einbruch der Dunkelheit wird das Teil aber schön beleuchtet und unsere leckeren frischen Einkäufe sind gut tuend. Neben uns parkt ein anderes Wohnmobil ein. 2 Männer, die anscheinend mal ohne ihre Frauen verreisen durften, was ich ihren Telefonaten entnehme.

Als um 12Uhr Nachts noch immer 30° sind, hängen wir unseren Duschsack an ein Parkschild. Joseph klettert dazu abenteuerlich auf ne Banklehne. Die 25l reichen tatsächlich für uns 3 und wir haben richtig Spaß. Es ist herrlich.. Hinterher reiben wir uns mit Zitrone ein, denn hier ist Mückenalarm. Dann gehts wieder los. Wer schläft wo? Und lassen wir die Türen auf, oder riskieren wir, ausgeraubt zu werden? Gut. Die Gefahr, zu ersticken scheint mir greifbarer. Aus jedem Schrank, den wir öffnen, strömen weitere 10°. Decken und Kissen sind aufgeheizt. Ätzend. Also lassen wir alles auf. Ich schlafe unten, was definitiv angenehmer ist als oben, dafür liege ich unangenehm präsent an der Tür. Und schlafe gefühlt mit einem Auge offen.

Trotzdem entgeht mir, dass irgendwann ganz früh ein Cabrio neben uns parkt. Und wie ich liegend noch so überlege, was der wohl für ne Behinderung hat, dass er genau hier aufm Behindertenparkplatz steht, und dass ich hoffentlich kein peinliches Bild so schlafend abgegeben habe…schiebt sich ein Kopf von rechts in die Tür und ein zerzauselter älterer Herr mit ner Angel in der Hand fragt mich leise freundlich: "Hascht gut gschlafe?" Gott, hab ich mich erschrocken. Er erklärt mir, dass er jeden Morgen hier angelt und bei der Hitze aber etwas früher kommt. Aha. Ich frag ihn, was das für ein Pappgerüst da auf der anderen Seite des Sees ist und er erklärt: "Die Rialdobricke aus Venädisch." Die was? "Die Rialdobricke!" Ah. Alles klar. "Mir habe hier immer so a Gondelfest," erklärt er mir. "Mit dausende Tourischte". Wir machen noch ein bissl sympathischen Smalltalk, dann brummt er mit seinem Cabrio los.

Nebenan im Camper regen sich die Männer. So wie sie den ganzen Abend vorher im Camper saßen, aßen, rauchten, stehen sie nun mit einer Tasse am Fenster und rauchen schon wieder. Vermutlich haben ihnen die Frauen Anweisung gegeben, den Camper nicht zu verlassen. Gegen halb 8 brummen wir los in Richtung Badesee. Dort suchen wir uns ein schattiges Plätzchen und beschließen, heute einfach hier am Wasser zu verplempern. Keinen einzigen Kilometer will ich bei der Hitze fahren. 39°.

Zum Frühstück wecke ich Richard, der noch nicht mal mitbekommen hat, dass wir den Camper bewegt haben. Zum ersten Mal nehmen wir die Räder vom Träger und fahren damit zum See. Der Fahrtwind kühlt fast ein bissl und wir können an den Massen vorbei weiter um den See herum fahren. Und siehe da, hier ist man relativ ungestört. Unter den Bäumen, mit den Füßen im Wasser lässt es sich aushalten. Ich beobachte meine Jungs, die sich trotz des Altersunterschieds so herrlich den ganzen Tag zusammen beschäftigen können. Sie spinnen und toben und sind sich ganz nahe. Ich bin stolz und könnte weinen. Wir essen und erzählen und lachen und baden…und ich fühl mich total gut. Bis auf die Hitze.

Am Nachmittag zieht ein Gewitter auf. Oh bitte bitte! Jöwes schwimmt raus auf den See. Sowas macht mich nervös. Wo willst du denn hin? rufe ich ihm hinterher. Ich will mal nachm Wetter gucken! antwortet er über die Schulter. Lass, ich guck aufm Handy! Er: Nee, ich guck lieber selber! Dann dreht er irgendwann um und ruft: Sieht nach Regen aus! Aaaach, das könnte meiner sein! ;-D Als es sich echt zuzieht, radeln wir zum Camper zurück. Sehnsüchtig warte ich auf Donner, Blitz und… Abkühlung. Aber das Gewitter zieht vorbei. Im Camper sind es gefühlt 60°. Ich überlege, überhaupt zu kochen.

Siehe Erkenntnis Nummer 3: Herd hinten im Wohnmobil is nich so clever. ;-)

Als uns beim Abendessen der Schweiß auf die Nudeln tropft, schnappen wir uns unsere Handtücher, die kleine BioSchafseife und radeln noch mal zum Wasser. Haare waschen trau ich mich nicht. Waschen geht. Aber so langsam…Beine piksen, Nagellack blättert, geschminkt bin ich seit der Abfahrt nicht mehr. Ich hab das Gefühl, mein Gesicht ist von der permanenten Hitze aufgedunsen. Ich zerfließe. Fast bin ich froh, mit den Jungs hier zu sein und nicht mit dem Liebsten. Der hätte sich womöglich getrennt.

Auf dem Rückweg zur Mary halten wir dann doch mal an dem nichts Gutes verheißenden Strandklo. Wie fast überall ist ein Schild angebracht, auf dem steht: Bitte verlassen Sie die Toiletten, wie Sie sie vorzufinden wünschen! oder so ähnlich. Och nööö! Als Jöwes wieder rauskommt, sage ich mit Blick auf das Schild genervt: Jungs, wir müssen zum Baumarkt. Fliesen kaufen, neue Klobrille, Wasserhahn, Eimer, Klopapier. Also echt.

Später versucht Jöwes, uns ein Spiel zu erklären. Spielen sie seit Wochen in der WG. Ich kann die Regeln nicht kapieren, mein Hirn ist überhitzt und so gibt er es auf. Wir laufen noch mal zum See. Baden im Dunkeln mit ner Taschenlampe. Immer noch ne Menge Leute am Strand. Wahnsinn. Es ist herrlich, nackt zu schwimmen. Aber die Mücken sind der Wahnsinn.

Die Jungs machen ein paar Kunststücke mit ihren Bikes. Josephs Kette reißt. Prima. Das wars dann wohl mit dem Rad fahren.

Und weil uns jemand so richtig gut eingeparkt hat, müssen wir notgedrungen noch eine Nacht hierbleiben. Auch gut.

Im Bus hält man es nicht aus. Aber die Tür auflassen fällt hier aus. Trau ich mich nicht. Richard fächert mir geduldig mit der Straßenkarte Luft zu, der Süße. Immer wieder mache ich Lappen nass und lege sie uns auf Stirn und Nacken. Er liegt neben mir und wir tuscheln lange. Und irgendwann schlafen wir sogar ein. Ich werde wach von einem tiefen Grollen und einem heftigen Blitz. Yeaaaaah!!!! Wir lauschen sehnsüchtig. Fast zieht es wieder vorüber, aber dann fängt es an zu regnen. Ich könnte jubeln. Das ist sooooo kuschelig im Camper! Der Regen, der aufs Dach trommelt, die hellen Blitze. Wir flüstern nur andächtig. Richard fragt nach der Uhrzeit. Halb 2. Dann habe ich heute Geburtstag. Wir singen ganz, ganz leise Happy Birthday und mir laufen die Tränen, weils so schön ist!

Joseph beschließt, im Regen zu tanzen, streift sein Shirt ab und hopst raus. Gerade als ich ihm folgen will, reicht er seine Unterhose durchs Fenster. Okeyyyyy? Nackt muss ich jetzt nicht mit ihm da draußen rumspringen. Das fände ich dann doch bissl schräg. Herrlich.

Wir kriegen endlich Luft…Können endlich schlafen. Ich rutsche an meinen Richard ran und er legt seine Arme um mich. Mir laufen die Tränen. 13 Jahre. Mein Baby.

Tag 5

Ab jetzt ist alles anders. Ist DAS großartig! Die Luft nach dem Regen! Atmen! Ne jacke anziehen! Ich klettere früh aus dem Camper und schleiche über den Parkplatz auf der Suche nach ein paar Blümchen fürs Geburtstagskind. Was die Leute alles so zurücklassen! Auch auf der Wiese am See…Wahnsinn. Kaputte Luftmatratzen, Schuhe, Kartons, Verpackungen. Weggeworfen oder verloren. Erst gestern habe ich ein großes, nagelneues Handtuch gefunden. Es roch frisch gewaschen. Die Sandalen lasse ich stehen, schön, aber nicht meine Größe. Einen schicken Strohhut finde ich noch und nehme ihn mit.

Der Geburtstagstisch sieht süß aus. Kleine Tischdecke, Papierschlangen, Kerzen, Blümchen. Dass ich kein Geschenk in der Hand halte, tut mir grad leid. Aber Richard, der seine Geburtstage zeit seines Lebens mit uns im Urlaub erlebt, wünscht sich wie immer eine Unternehmung. Das finde ich natürlich auch viel schöner.

Wir packen also unseren Krempel und fahren los Richtung Frankfurt/Main. Da soll es in Weinberg ein riesiges Spaßbad geben mit unzähligen Rutschen. Ich hasse solche Bäder, aber die Aussicht auf eine richtige Dusche ist verlockend. Unterwegs malen wir uns aus, wie wir da wie die Höhlenmenschen aufschlagen. Unter meinen Badelatschen beispielsweise pampen 3cm Waldboden. Ich werde damit bis zum Beckenrand staksen und sie im Wasser abspülen. Joseph meint, er könnte so am Beckenrand sitzend mal seine Fußnägel knipsen, ich meine Beine rasieren…Und Richard erklärt sich bereit, den Korb mit der Dreckwäsche zu tragen. Eine großartige Vorstellung. Wir feixen.

Miramar ist schon von Weitem zu sehen. Riesige quietschbunte Röhren ragen in den Himmel. Wahnsinn. Die Jungs sind begeistert. Ich nach 2 Rutschen nicht mehr. Dieses bunte, zuckende Licht, während man in die Tiefe schießt, macht mir Angst. Was, wenn das nen epileptischen ANfall auslöst? Auch meine Bikinihose würde wohl ein weiteres Mal nicht durchhalten. Der Gummi scheint plötzlich ziemlich ausgeleiert .

Also setze ich mich irgendwo an den Rand und gucke. An Lesen ist nicht zu denken. Diese Geräuschkulisse! Boah! Dazu diese schwül- warme Luft! Und irgendwann sind auch meine Augen überfordert. Haarige Wolfsmenschen, Akne geplagte Teenager, Warzen, Fußpilz, schlechte Tattoos, dürre oder adipöse Menschen, schlechte Tattoos an dürren, adipösen Menschen…Und dann ein Pflaster, dass an der Wasseroberfläche treibt. Ich muss hier raus.

Draußen setze ich mich ganz weit hinten an den Zaun und atme durch. Was bin ich doch nur für ein Spießer. Und nur, weil ICH jetzt mal frisch geduscht bin, muss ich mich ja nicht so erheben, ge? Der Ekel bleibt. Und das Dröhnen unter der Schädeldecke. Nach ner Stunde kommt Jöwes und hält sich den Kopf. Wie lange halten wir es hier noch aus? Ich dreh durch. Danke, mein Schatz. Wir halten noch so lange aus, bis Richard auch genug hat. Ist schließlich sein Geburtstag. Ich spendiere noch ein wirklich teures, aber auch wirklich schlechtes Essen in der Cafeteria. Schade ums Geld. Aber so unterzuckert war das ja auch nicht mehr auszuhalten.

Hinterher sind wir platt. Stellplatzsuche. Bloß nicht über die Autobahn. Und weg von diesem Großstadtfeeling. Ich bin richtig angenervt. Und wie ich das so kundtue, sagt das Navy plötzlich: Wenden.

Wir drehen um und plötzlich- wie auf Knopdruck: das Paradies. Dichter Wald, kurvige, ansteigende Straßen, Berge, süße kleine Dörfchen. Ich quieke förmlich vor Begeisterung. Wir tuckern hinter einem Traktor her, der mit seinen schiefhängenden Strohballen an fast jeder Hausecke hängen bleibt. Als ein Gewitter über den Bergkamm schwappt, postieren sich die Jungs oben im Alkoven und filmen nach hinten raus. Auch sie jubeln immerzu, wirken so gelöst und begeistert! Richard ruft nach unten: Ich könnte eeeewig so weiterfahren, Mama! Ich auch.

Es ist, als hätte jemand den Schalter umgelegt. Urlaubsfeeling. Abenteuer. Glück.

Als der Scheibenwischer es nicht mehr schafft, den fetten Regen zu bändigen, halten wir. Bei geöffneter Tür schauen wir auf den Neckar und seufzen. Soooo haben wir uns das vorgestellt. Ab jetzt wird alles anders. Mary ooh Mary.

Teil2 in den nächsten Tagen. Versprochen. Ihr braucht sicher eine Pause. Ich war schon grad wieder urlaubsreif beim Lesen! ;-D