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Claudia Rückborn. Apothekerin in Wusterhausen/D. Ein Blick hinter die Kulissen

Lilienapotheke Wusterhausen

Was wisst ihr über eine Apotheke, außer, dass man dort Rezepte einlöst? Jaaa, genau. Als Claudia als Apothekerin in Wusterhausen mir ihr OK gibt, einmal hinter ihre Kulissen zu gucken bin ich erst ehrlich begeistert, dann aufgekratzt wie ein kleines Mädchen. Ich mag ja nicht so diese hochmodernen Apotheken, sondern lieber die kleinen, nostalgisch angehauchten. Sie haben was von Tante-Emma- Läden, die ich leider nur aus dem Fernsehen kenne. Aber einen Kaufmannsladen besaß ich sehr wohl. Ist das so ein Mädchen- Ding? Der Traum, hunderte Schubfächer herauszuziehen? Bonbonieren aus Glas zu öffnen? Mit kleinen Schippen Haferflocken in Tütchen zu füllen? Ich weiß es nicht und schweife ab. Aber ich glaube, das ist die Verknüpfung im Hirn.

Mit dieser romantischen Vorstellung, ja kindlicher Vorfreude jedenfalls betrete ich die kleine Apotheke direkt am Markt. Der Verkaufsraum ist zwar keine 150, sondern nur um die 20 Jahre alt (denn da wurde das Haus komplett saniert) hat aber trotzdem Charme. Allein durch die Holzregale und Heilkräuter auf Glas.

Seit 1696 gibt es übrigens eine Apotheke in der kleinen Dossestadt. Niegrinus hieß die damals und befand sich auch am Markt, jedoch direkt gegenüber von der jetzigen Lilienapotheke.

Ich weiß nicht, ob Claudia so strahlt, weil ich es tue, aber sie breitet ihre Arme aus und sagt: Das ist unser Offizin. Und weil ich nicht dumm sterben will, guck ich später erst einmal, was das bedeutet und finde heraus: Der Name stammt aus dem Mittelalter, als infolge von Seuchen (Pest z.B.) fahrende Arzneimittelhändler in den Städten ansässig wurden. Sie trennten Labor und Beratungs-/ Verkaufsraum voneinander. Offizin ist demnach ein Verkaufsraum, der zu einem Labor oder Werkstatt gehört. Wieder was gelernt.

Und dann darf ich in die „Heiligen Räume“, deren Zutritt Patienten und Kunden sonst untersagt ist.

Dieses Warenlager nennt man Generalalphabet. Hier befinden sich an den Wänden bis hoch zur Decke diese unzähligen Schubladen, nach Alphabet sortiert. Da haben vor Allem Praktikanten die erste Zeit tatsächlich Probleme! Das Alphabet sollte man schon können.;-)

Mir fällt ein, wie wir in der Schule mit dem Duden übten, Wörter zu finden. Ich ziehe wahllos ein paar Fächer auf. Wow! Wie tief sind die? 1,20m, weiß die Chefin. Wie viele sind das? Und haben alle einen Glasboden? Du stellst Fragen, lacht Claudia und beginnt zu zählen. 14 übereinander, 10 nebeneinander an einer Wand. Und durchsichtige Böden? Wieder ziehen wir ein paar Fächer aus. Ab Kopfhöhe. Clever. Damit man beim Öffnen der oberen Schubladen von unten den Inhalt erkennt. Im Generalalphabet lagern wir die Medikamente, die wir am häufigsten brauchen. Es gibt noch ein weiteres Lager. Aha.

Durch ein Glasfenster hat man Blick in die Rezeptur. Hier werden speziell verordnete Mixturen und Salben hergestellt. Die hatte ich mir ehrlich gesagt mehr wie eine Hexenküche vorgestellt, ist aber ziemlich modern. Fast bin ich enttäuscht. ;-)

Was mich dann aber echt verblüfft, ist das Labor. Klingt für mich irrsinnig, ist aber Pflicht. Wenn eine Rezeptur kommt, muss nämlich geprüft werden, ob da wirklich der Inhaltstoff drin ist, der draufsteht. Dann „spielt“ man Labor, erklärt Claudia, testet Reaktionen, prüft Farbe, Geruch, Niederschlag...Wälzt dicke schlaue Bücher und muss dann noch ein Protokoll schreiben, das 5 Jahre aufbewahrt werden muss.... Apotheke ist auch ganz viel Chemie.

Versteh ich nicht. Wenn ich nicht dem traue, was da geliefert wird und draufsteht, müsste ich theoretisch auch jede Tablette ... anlutschen und gucken, was passiert?! ;-D Aaaaber: Das verlangt nun mal die Apothekenbetriebsordnung.

Und nicht nur das. Auch der Notdienstraum ist Pflicht. Claudia zitiert immer so herrlich: Er muss eine angemessen wohnliche Ausstattung haben. Alle 13 Tage ist nämlich auch die Lilienapotheke dran, eine Nachtschicht einzulegen. Von 8-8Uhr kann man dann im Notfall klingeln. Wann ist es denn ein Notfall? frage ich und muss schon grinsen, weil ich mir durchaus vorstellen kann, dass sich Menschen nicht scheuen, den Diensthabenden wegen einer Aspirin aus dem Bett zu klingeln...Ohropax und Nasenspray eher nicht...die „Pille danach“ schon. Aber in der Regel kommen Leute mit Antibiotikarezepten und so. Das ist schon wichtig.

Und auch von der Apothekenbetriebsordnung (Ich liebe dieses Wort) vorgeschrieben: Ein separater, abgeschirmter Beratungsbereich. Claudia hat dafür ein kleines Zimmerchen mit einer Liege inpetto. Hier messen wir z.B. Kompressionsstrümpfe an. Sie zeigt mir, wie viele Punkte da gemessen werden müssen. Verrückt. Nix mit: Größe 38 und gut!? Und guck mal, die sehen heute gar nicht mehr so hässlich aus wie früher! Sie zeigt mir ein paar Muster und sagt: Gibt es sogar mit Leopardenmuster. Nun ja. Wer´s mag, ge?

Außerdem kann man hier Blutzucker und Blutdruck messen lassen. Oder sich bissl ausruhn. Claudia erzählt von einer alten Dame, die sich hier mal auf die Pritsche legte und ne gute Stunde schlief, bevor sie wieder heim tuckerte in ihr Dorf. Herrlich. Naja und dann führen wir hier eben auch Beratungen durch, die sehr diskret ablaufen sollen. Ich steh noch kurz auf dem Schlauch. Zur Einnahme von Viagra oder so. Mir klappt einen klitzekleinen Moment die Kinnlade runter. Damit geht man in die Apotheke? Claudia ist Profi und antwortet seriös: Kenne ich mich als Apotheker nicht am besten mit Medikamenten aus? Natürlich.

Wie wird man eigentlich Apotheker? Ist das ein Studium? Ja. Vier Jahre. Plus ein Jahr Praktikum, dann Abschlussprüfung. Eigentlich wollte sie mal Arzt werden, erzählt die gebürtige Potsdamerin. Aber dann hatte ich einen Ferienjob in einer Apotheke und fand das Klasse, vor Allem den Kundenkontakt. Also studierte sie Pharmazie an der HU in Berlin. Später war sie von ihren Chefs oft angenervt. So will ich NIE werden schwor sie sich. Und ich glaube, das ist ihr auch gelungen. Ihr Team zumindest wirkt locker und aufgeschlossen. (Ganz kurz am Rande: Claudia Rückborn fing im Februar 2007 hier in der Lilienapotheke an zu arbeiten und übernahm auf Wunsch der Chefin, die in den Ruhestand gehen wollte, die Apotheke ein halbes Jahr später).12 Jahre. Ich habe es noch nie bereut, sagt Claudia und strahlt.

Das Prozedere, irgendwelche Anträge, die Dokumentationen hinter den Kulissen jedoch nerven. Es wird immer schlimmer sagt sie und nennt ein paar Beispiele. Stell dir vor, du bekommst ein Hilfsmittel verordnet. Einen Inhalator z.B. Dann müssen wir bei der Kasse eine Genehmigung beantragen! Das dauert manchmal bis zu 5 Tage, in denen der Patient auf das Ding wartet!

Dann schließen die Kassen oft Rabattverträge mit den großen Pharmakonzernen ab. Da kommt dann der Patient mit seinem Rezept und wir müssen erst gucken, ob seine Kasse das überhaupt übernimmt. Oft dürfen wir nur ein anderes Präparat rausgeben, mit dem der Patient gar nicht so zufrieden ist, oder müssen Rücksprache halten. Weißt du, wie viele Krankenkassen es gibt? Nein. Aber zu viele vermutlich. Nervtötend. Verstehe.

Am liebsten steht sie noch immer in der Offizin. (Klingt grammatikalisch schräg, stimmt aber wohl so. ) Ich mag einfach den Kundenkontakt.Und: Ich halte meine Mitarbeiter an, den Kunden eine Beratung anzubieten, aber nicht aufzudrängeln. Und Zusatzverkäufe sind bei uns tabu! Wer? Was? Claudia regt sich auf: Dafür gibt es richtige Drillseminare! Und in manchen Apotheken Quoten! Furchtbar! Wenn du z.B. sagst, du brauchst Nasenspray und gehst mit Kopfschmerztabletten, Taschentüchern, Einreibung und allem Möglichen raus. Aso. (In meiner grenzenlosen Phantasie fallen mir da spontan noch 100 andere Dinge ein. Franzbranntwein z.B., falls man doch länger liegen muss. Eventuell sogar eine Dekubitusmatratze...Ich lass das mal, ihr kennt mich. ;-)

Was geht denn hier am meisten über den Thresen? will ich noch meine Vermutungen bestätigt wissen. Und richtig: Schmerz- und Erkältungsmittel.

Der Einzugsbereich ist ziemlich groß. Eigentlich sämtliche Dörfer der Gemeinde Wusterhausen, Kyritz...Neustadt. Wir arbeiten sehr gut mit unseren Ärzten zusammen. Das klappt. Und auch 2 Heime versorgen wir mit Medikamenten. Da kommen dann 50 Rezepte mit einem Schwung reingeflattert und müssen sortiert, beschriftet, geliefert werden. Zur Heimversorgung gehört auch, dort 2x im Jahr eine Arzneimittelschulung zu veranstalten und die „Arzneimittelvorräteprüfung“ durchzuführen. (Wer denkt sich nur immer solche Wörter aus?) Claudia schätzt übrigens den Altersdurchschnitt ihrer Kunden auf 65 Jahre. Es kommen zwar auch viele Mütter durch den ansässigen Kinderarzt, aber ansonsten...sind es eher die Älteren.

Ihr liefert? Das heißt, ihr habt auch einen Boten? Wen fährt der so an? Claudia lacht und weiß, worauf ich spekuliere. Der fährt abends seine Runde und steuert eher Patienten an, die nicht noch mal wiederkommen können, wenn etwas nicht vorrätig war und bestellt werden musste. War ein Versuch.

Und wie schnell kommen Medikamente, die ihr bestellen müsst? 6x am Tag werden wir beliefert. Sogar nachts. Sie zeigt mir die großen blauen Kisten, die sich am Hintereingang stapeln und bereits ausgepackt und einsortiert in den schönen 1,20m langen Schubfächern des Generalalphabets auf ihre Einlösung warten.

Haaach....also ich glaub ja, in meinem nächsten Leben werd ich auch Apotheker, oder Pharmazeutischer Assistent oder iiiirgend sowas. Seufz.

Danke an Claudia Rückborn für die Erfüllung eines (Mädchen)Traums. ;-) Und? Wusstet ihr das alles??? Gern geschehen. ;-)

Lilien-Apotheke Wusterhausen

Apothekerin Claudia Rückborn

Am Markt 22

033979-13900

Öffnungszeiten: Mo-Frei 8-18.30 Uhr Samstag 8-12 Uhr Nächster Notdienst:So.,14.April ...auf dass ihr ihn nicht braucht!