Schröder Reisen: Vom kleinen Herbie, der seinen Schuhen entwuchs.

Da brüllt im Bus einer von hinten: „Das war schon rot!“ Der Busfahrer brüllt zurück: "Hier vorne noch nicht, du Klugscheißer!“

Den Witz konnte ich mir nicht verkneifen. Hach und es gibt sooo viele! ;-)

Der Name des Busunternehmens Schröder (im kleinen Segeletz) ist jedem von uns ein Begriff, nicht wahr? Vielleicht seid auch ihr als Steppke 2x am Tag in den Schulbus gestiegen, habt später den Arbeiterbus genutzt, musstet bei der Klassenfahrt neben dem Busfahrer sitzen, eine Tüte griffbereit? Vielleicht habt ihr eure Hochzeitsgesellschaft von A nach B kutschieren lassen, seid nach Rimini gereist oder nach Hamburg zu einem Musical. Jeder aber kennt mit Sicherheit die großen, bunten Busse des Unternehmens aus dem Straßenbild unseres Breitengrades.

Kathrin Novotny (geb. Schröder) und ihr Bruder Knut führen seit einigen Jahren die von ihrem Vater 1959 gegründete Firma. Was einmal ganz klein mit dem Senior und einem VW- Käfer begann, ist eine ziemliche Erfolgsgeschichte geworden. Heute gehören zum Fuhrpark 14 hochmoderne wie nostalgische Busse. 10 Busfahrer bewegen die imposanten Gefährte im Linienverkehr genauso wie auf den Straßen Europas. An den Telefonen im Büro ziehen 4 Mädels gekonnt die Fäden, organisieren, vermitteln, nehmen Buchungen entgegen. Ein kleines Schrödersches Imperium, das vor über 60 Jahren begann.

Die Geschichte des Familienbetriebes reicht über das vor kurzem begangene 60.Jubiläum weit hinaus. Aber dazu komme ich später.

Kathrin und Knut kenne ich noch aus der Schule. Kathrin eher nur vom Sehen, denn sie war ein wenig älter als ich und da interessiert man sich weniger für kleine Mädels. ;-) Knut ging in die Klasse über mir und zählte somit zu den großen, coolen Jungs, zu denen man schon aus Prinzip aufschaute. ;-)

Beide jedoch gehörten zu den Fahrschülern, die ich damals so unendlich beneidete. Während ich nämlich mit dem Fahrrad zur Schule strampelte, stiegen sie in den Bus. Brauchten nicht zum Englischunterricht in der 0.Stunde antreten und nicht am Pioniernachmittag oder irgendwelchen Spartakiaden teilnehmen, weil eben der Bus noch nicht oder nicht mehr fuhr...und wenn sie richtig Glück hatten, kam der Bus GAR nicht.

Ich seh sie immer noch in kleinen Grüppchen vom Bäcker geschlendert kommen und hab sofort den Geruch von frischen Streuselschnecken in der Nase. 10Pfennig kosteten die, lacht Kathrin. Und freitags gabs Pfannkuchen. Nee, oder mittwochs? Ich jedenfalls habe oft meine Stulle gegen eine der begehrten Schnecken getauscht.

Knut leiert die Augen. Beneidet? Ich hab EUCH beneidet! Für eure 10min. Radweg! Wir standen schon an der Schule, wenn du noch geschlafen hast! So hab ich das noch nie gesehen. Und Kathrin ergänzt: Na und wenn man einen Freund hatte, war das doch auch doof! Ich wär oft gerne noch nachmittags geblieben. Eijeijei, ja, auch daran kann ich mich erinnern. Abschiedsszenarien am Schulbus...Herrlich.

Ich erinnere mich auch, dass die Fahrschüler immer Schiss vor Busfahrer Bading hatten. Die Beiden lachen zustimmend. Hatte der ne kurze Zündschnur? frage ich nach. , meint Knut, der hat nur ab und an nen Brüller losgelassen, um wieder Ordnung herzustellen, wenn die Jugend durchdrehte. Knut reißt die Arme hoch: ICH musste mich immer zurücknehmen. Weißte, wie das ist, wenn dein Vater Busfahrer is? Jaaa, das ist vermutlich, wie Lehrerkind zu sein. Die Mitschüler unterstellen dir bessere Noten als verdient, dafür weiß dein Vormund schon vor dir, wenn du was ausgefressen hast. Schlimm. ;-)

Früher wurden Schüler mit ner großen Klappe einfach rausgesetzt, grinst Knut. Wie, wo? Na genau dort, wo es dem Busfahrer eben reichte. Im Dreetzer Wald z.B. Oh Gott, heute undenkbar. Als ich später dann schon selber fuhr hab ich ab und an mal einen im Bus sitzen lassen bis Endstation auf unserem Hof. Der durfte dann den Bus ausfegen oder so... Heute auch undenkbar. Heute kann man bestenfalls das Schülerticket einkassieren und dann müssen die Eltern das aus dem Büro abholen. Aber im Großen und Ganzen geht es. Ich glaube, da gibt es ganz andere Regionen, wo man mehr mit Kids zu tun hat, die pöbeln oder Sitze aufschlitzen.

So. Nun aber zu euch. Zu eurem Busunternehmen. 60-jähriges Bestehen habt ihr gerade gefeiert. Erzählt mal! fordere ich zum Rückblick auf und Kathrin zeigt mir alte schwarz- weiß Fotos.

Das hier ist der VW- Käfer, mit dem mein Vater 1954 ein Taxiunternehmen gründete. Aber eigentlich muss man noch weiter ausholen. Hier in den Räumen führten nämlich bereits die Großeltern einen Gebrauchtwarenladen. (Das hieß damals so und bedeutete nicht, dass man mit gebrauchten Dingen handelte, sondern mit Dingen, die gebraucht wurden. Nur mal zur Erklärung.;-) Um Waren zu besorgen oder auszuliefern besaß man schon einen Lieferwagen. Das war damals dieser umgebaute Kübel. (Hier zu sehen übrigens in der Wusterhausener Innenstadt.) Cool, oder?

Vater Horst half mit. Transportierte alles Mögliche: Eisblöcke, Kinorollen, Brot. 1954 dann der Käfer für Taxifahrten. Und die erste Selbständigkeit.

Als ein Freund in den Ruhestand ging und ihm seinen Opel- Bus anbot, zögerte H. Schröder nicht lange. Er übernahm den Bus samt Linienkonzession und eröffnete sein eigenes Bus- Unternehmen.

Das war zu DDR- Zeiten kein leichtes Unterfangen. Kathrin und Knut erzählen von Dieselkontingenten und Problemen bei der Ersatzteilbesorgung. Dieselkontingent? frage ich nach. Na zu DDR- Zeiten konnte man nicht einfach tanken, was das Zeug hält. Mein Vater erhielt nur ein bestimmtes Kontingent. Man hätte eigentlich lieber gesehen, dass er aufgibt. Aber Kathrin beschreibt ihren Vater als jemanden mit „unaufhörlichem Optimismus, Tatendrang und Durchhaltevermögen“. Und so fand sich immer wer, der mit Diesel aushalf, wenn es eng wurde. (Auch wenn der Mercedes deutlich weniger verbrauchte, als die Ikarus- Busse der Kollegen). Wenn die LPG beispielsweise einen Ausflug plante, füllten die halt mal den Tank.

Mit dem Bus jedenfalls fuhr er Vereine durch die Lande, Kirchengemeinden und Hochzeitsgesellschaften. Und eben „Linie“.

Fast vergessen: Ersatzteile wurden abenteuerlich über die Grenze gemogelt. Ein Verwandter im Westen besorgte die Teile vom Schrottplatz und gab sie beispielsweise einem der Deutrans- Fahrer mit, die damals schon die Grenze passieren durften. Das Ganze wurde mit dem Kauf eines 2. Busses besonders existenziell, denn es handelte sich um einen Mercedes. Von „drüben“.

Das wird mir jetzt erst bewusst! werfe ich ein. Ihr habt zu Ostzeiten nen Mercedes- Bus gefahren! Jaaa, grinst Knut stolz. Das war ne schräge Geschichte. In Berlin fuhr das Deutsche Reisebüro damals Besucher aus dem Westen in schicken Mercedes- Bussen durch die Stadt. Aber irgendwann wollte man kein Geld mehr ausgeben für die Reparatur der Dinger. Mit etwas Muschibubu, ein paar Beziehungen und einer Kiste Spargel aus Dreetz bekam mein Vater einen Stempel vom Ministerium....und wieder vor Ort mit einer Kiste Bananen aus der Hauptstadt die Genehmigung in Kyritz...usw. Jaaa, so ungefähr lief das, nicht wahr?

Mit dem 2. Bus jedenfalls stellte Horst auch einen ersten Mitarbeiter, Philipp Ringel, ein. Im Laufe der Jahre erweiterte Schröder seinen Fuhrpark auf 4 Busse. 1x Opel, 3x Mercedes. Und man kann sich vorstellen, wie schwierig das mitunter war im damaligen System als Selbständiger und mit all den Widrigkeiten der sozialistischen Planwirtschaft. ;-)

Einmal war die Frontscheibe vom Bus kaputt und er hat keine neue ranbekommen, erinnern sich Kathrin und Knut, da hat ein Glaser aus Neuruppin ihm aus nem Ikarusbus eine zurechtgebastelt. Er musste ja zusehen, dass der Bus wieder fuhr! Morgens als erstes die Arbeiter, dann Schulkinder, Linie. Mittags Pause, dann alles wieder rückwärts: Schulkinder, Arbeiter.

Mein Vater hatte eigentlich einen 24 Stunden- Job. Wenn er einen Bus nicht fuhr, lag er unter ihm und schraubte... Meine Mutter hat ihm immer den Rücken freigehalten.

War denn für euch immer klar, dass ihr einsteigt ins Unternehmen? Kathrin verneint. Knut grinst: Ich durfte mit 14 schon den Bus morgens aus der Halle fahren, damit er schon mal warm wird. Aha, die Karriere war also in die Wiege gelegt. Er lernte Landmaschinenschlosser und machte schon vor der Wende den Busschein. Morgens fuhr ich dann „Linie“, hinterher zur Arbeit ins Nachbardorf.

Und Kathrin? Wollte eigentlich Abitur machen. Aber die Plätze waren der „Arbeiterklasse“ vorbehalten. Vater selbständig, Mutter Lehrerin...da wurde sie einfach abgelehnt. Also machte sie eine Ausbildung zur Kellnerin in Potsdam beim Konsum. Nach der Ausbildung unterschrieb sie ihren Arbeitsvertrag nicht, sondern überlegte, ob sie vielleicht studieren sollte. Aber da ich ja noch immer die gleichen Eltern hatte, ging das auch nicht. erzählt Kathrin und jetzt muss ICH lachen.

Vielleicht war es Heimweh, vielleicht das verlockende Angebot aus Kyritz, was Kathrin zurückzog: Jedenfalls konnte sie in der Werbeabteilung beim „Konsum“ in Kyritz anfangen. Schaufenster gestalten, dekorieren. Das war voll mein Ding, da hätte ich alt werden können. Aber wie das so ist: Wende, Mann, Kind... Sie hängte eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten dran. Erst 99 stieg sie beim Vater mit ein.

Nach 30 Jahren Selbständigkeit im Osten, die Vater Schröder überstand, gab es nach der Wende schier unbegrenzte Möglichkeiten. Diesel, Ersatzteile, offene Grenzen.

Schröders bauten ihr Angebot aus. Den ersten Katalog gab es übrigens bereits 1991! Und ich weiß nicht, wie der damals aussah, aber der aktuelle ist beeindruckend umfangreich. Tagesfahrten, Mehrtagesfahrten, Kurreisen, Radreisen.
Das mit den Radreisen finde ich interessant. Knut bestätigt: Die sind sehr beliebt. Eine bequeme Busfahrt, Hotel und alles Organisatorische erledigt...dazu das eigene Rad hinten ganz luxuriös im Anhänger...das gefällt den Reisenden. Wenn du nicht mehr weiter radeln kannst und magst: Der Bus ist immer vor Ort. erklärt Knut. Und überhaupt erfüllen wir (fast) jeden Wunsch... Wir haben sogar inzwischen 2 E- Bikes mit im Anhänger, die genutzt werden können.

Und dann fährt er mich mit einem der komfortablen Reisebusse nach hinten auf das große Gelände. Was für ein Luxus! Ha! Ganz allein. Neben dem Fahrer. Ich rede sogar während der Fahrt mit ihm. (Was sich angeblich sonst nur Chack Norris traut ;-)

Hier stehen sie. Der coole, nostalgische mit Lounge (Und ich sehe sofort meine Mädelstruppe hier Cocktails schlürfen!)

neben dem normalen Linienbus und dem frisch beklebten Tina Turner- Bus...

frisch Gewaschene in der Halle und ...ooooh, wie süß! ein alter Bulli, den Knut gerade aufbaut, um darin wie sein Vater vor 65 Jahren Brautleute zu chauffieren! Herrlich.

Daheim blättere ich durch den Katalog. Wow. Alles dabei. Und mit Sicherheit eine logistische Meisterleistung, solche Touren zusammenzustellen.

Tagesfahrten (z.B.): Zur LAGA Wittstock, Leipzig, Berlin, Warnemünde, Moritzburg, Nordsee...Immer mit nem Highlight wie einer Schiffsfahrt, nem Festspiel, nem Frühlingsmarkt...Christkindlmarkt...was weiß ich.

Nicht zu vergessen die Musicaltouren. Nach Hamburg zum König der Löwen, Cirque du Soleil, Mary Poppins, Tina Turner. Nach Berlin zum Tanz der Vampire, Holiday on Ice...usw.

Längere Reisen: Rhein- Mosel- Kreuzfahrten, Indian- Summer in Finnland, Tulpenblüte in Holland, Teneriffa, Alpen, Pfalz, Spreewald, Sri Lanka...Breslau bis Masuren. Kurreisen sind buchbar für Deutschland und Polen...

Radreisen führen an Elbe und Donau oder an der Küste entlang, durch die Sächsische Schweiz...

Wirklich sehr, sehr vielfältig. (Den Katalog kann man sich ganz einfach anfordern!) Im Übrigen ist eine Kollegin nur dafür zuständig, Gruppenreisen zusammenzustellen und zu organisieren. Mit der Kirchengemeinde, dem Kegelclub, einer Schulklasse...Letztes Jahr haben wir 70 solcher Pakete geschnürt, sagt Kathrin, Tendenz steigend.

Was ich nicht wusste: Über Schröders kann man auch ganz normale Pauschalreisen buchen. TUI, AIDA, Pipapo...

Kathrin und Knut sind glücklich mit dem, was sie tun. Knut sagt, er fährt immer noch total gern Bus. Und Kathrin meint, mein letzter Artikel über Raues (Bestattungen), habe sie sehr bewegt, denn auch ihre Eltern sind in den letzten beiden Jahren verstorben und Raues hätten sich sehr lieb gekümmert. Aber es habe sie auch wieder daran erinnert, dass sie bereits früher dort vorbeifuhr und dachte: Ich bin so froh, dass ICH Freude verkaufe. Ausflüge, Reisen, Shows...ja, das hat mit purer Freude am Leben zu tun.

Horst Schröder, der mit 80 übrigens noch immer Bus fuhr, hat die große Jubiläumsfeier leider nicht mehr erleben dürfen. Dass seine Firma in seinem Sinne weitergeführt wird und in guten Händen ist, jedoch sehr wohl. Er wäre sicher stolz.

Alles Gute euch Beiden!

Ach und wer auch gern Busfahrer werden möchte: Einen würde Knut noch einstellen wollen, sagt er. Und die Kosten für den dafür benötigten Busschein übernimmt er glatt auch. Hat er versprochen!!!! Na DAS wär glatt ne Überlegung!

Schröder Reisen GbR

Lindenstraße 60

16845 Segeletz

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