Reden ist Silber...und Schweigen meist doof.

Im Gespräch mit einem, der es wissen muss. (M)Ein Dialog mit Frank Schubert.

Auf der Visitenkarte würde stehen:

Beratung-Coaching-Dialogbegleitung-Moderation-Suchtprävention

Er würde ergänzen: für Kitas, Familienzentren, Schulen… Teams, Vereine, Firmen… Pädagogen, Kollegen, Familien, Mütter, Väter, Einzelpersonen…. für EUCH, für DICH. Sozusagen.

Alles klar? Ja, dachte ich mir. ;-) Darum dann doch meine ureigene, ausschweifende, aber weeesentlich schönere Variante: ;-)

Frank Schubert

Also was ICH für interessante und wundervolle Menschen kenne, lässt mich immer wieder staunen. Frank ist einer von Ihnen. Er ist intelligent, feinfühlig, empatisch…wahrhaftig. Und eher so ein leiser, tiefgründiger Typ. Einer, der sich engagiert, interessiert…und: zuhört. Schwärme ich hier grad?

Kennengelernt hab ich ihn ganz banal beim Tanzen in Potsdam. Das ist bereits etliche Jahre her. Ich mochte ihn sofort, schon weil er zu Pearl Jam tanzte wie ich. Die Chemie stimmte, wie man so schön sagt. Er erzählte mir, dass er in Kyritz am Lehrerinstitut studiert hat. Und als ich mich an einen Dozenten in der Breddiner Schule erinnerte, der mit uns Eltern zum Thema Drogen sprach und dessen Art und Einstellung ich so cool fand, sagte er grinsend: Das war wohl ich. Die Welt ist ein Dorf.

Was haben wir immer wieder für tolle Gespräche geführt! In der letzten Zeit verloren wir uns ein bissl aus den Augen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass auch er meinen Blog liest. Und richtig happy war ich, als ich ihn für einen Artikel über sich und seine Arbeit begeistern konnte.

Kommst du nach Potsdam? Ich würde dir gern meine Lieblingsplätze im Babelsberger Park zeigen. Mich verbindet damit ganz viel. Na, nichts lieber als das! Ich liebe Potsdam, kenne den Park jedoch kaum und was klingt verlockender als ein nettes Interview und Picknick mit Blick auf die Glienicker Brücke? Jaaa, bitte keinen Neid, jeder sucht sich seinen Job selber aus. ;-)

Samstag in der Früh starte ich also in Richtung Landeshauptstadt. Frank erwartet mich pünktlich um 10 vor dem Parkeingang mit einem gepackten Rucksack. Die ersten beiden Stunden hatte ich für Privates eingeplant. Schließlich haben wir uns lange nicht gesehen. Auf Bank Nummer 1 essen wir etwas oberhalb des recht urigen Parks (nicht ganz so gepflegt wie Sanssouci) Käsekuchen und Kirschen. Dazu Grüntee. Bist du inzwischen Veganer? hatte ich Frank vorher gefragt, denn ich weiß, er achtet sehr auf Ernährung und Gesundheit…joggt hier im Park, der Streber. ;-) Er nennt sich mit ´nem Zwinkern Flexitarier. Ich esse selten, aber dann gutes Fleisch. Vegan…nein. Gut, darum also zum Glück Käsekuchen.

Das mit dem „erst privat, dann dienstlich“ funktioniert natürlich nicht. Wie soll man das trennen? Er erzählt aus seinem Leben, schildert seinen Werdegang, streut ein, was ihn bewegte…und zwischendurch erklärt er mir, was man hier gerade sieht, was das dort für ein See ist, schwärmt vom Blick auf die Glienicker Brücke, amüsiert sich über eine Gruppe rosa gekleideter Mädels, die mit Ballons Fotos machen, zeigt mir seinen Lieblingsbaum oder Joggingstrecke… Oh und da fährt der Alte Gustav, mein Lieblingsschiff! Frank fordert meine höchste Konzentration.

Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Nicht nur wegen des vielen Inputs, sondern weil es bei 27° auch leicht köchelt. Ich bleibe tapfer. Will nichts verpassen oder vergessen.

Und so gehen wir immer ein Stück und setzen uns dann wieder, um zu verschnaufen (Ich. Nicht er!) und Notizen zu machen.

Tja, und nun bin ich gespannt, ob ich noch alles zusammenkriege.

Los gehts.

Frank wuchs in Brandenburg auf. Also in der Stadt Brandenburg. Einzelkind. Von seinen Eltern fühlt er sich unverstanden. Ich war irgendwie immer…falsch. Aber von seiner Urgroßmutter redet er liebevoll. Vergiss mir nicht Uroma Selma! bittet er mich später noch einmal eindringlich. Er saß oft neben ihr, sie Kartoffeln schälend und eindringlich wiederholend: Junge, vergiss nie:

Wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her!

Dieser Spruch begleitet ihn bis heute, hielt ihn oft hoch. Selma war die Einzige, die mich so genommen hat, wie ich bin.

Nein, er ist nicht wehmütig oder zornig. Es hat ihn geprägt. Zu kämpfen, für sich einzustehen, sich treu zu bleiben. Wahrhaftig zu sein.

Der erste richtige Bruch mit seinem Vater dann zu seinem 18. Geburtstag. Der Vater sprengt die Party, die Situation eskaliert und Frank zieht noch am nächsten Tag zu einem Freund. Für knapp zwei Monate lebt er bei dessen Familie, wohnt unterm Dach. Zu der Zeit war John Lennon gerade 1 Jahr tot, eine Radiosendung brachte die Jungs damals auf den Beatles-Trip. Sie spielten nicht nur Gitarre, sondern fingen an, mit einem Tonbandgerät diverse Geräusche aufzunehmen. Vom Staubsauger über den Mixer, Zähneputzen bis zum Mopedknattern, sowas halt. Ihr „Revolution Number Ten“.

Da fühlte ich mich das erste Mal aus den elterlichen Zwängen befreit, es war wie ein Aufblühen.

Ein paar Monate nach der „Heimkehr“ wurde er eingezogen. „Spatensoldat“ ging nicht, weil er nicht in der Kirche war. Und für eine Totalverweigerung fehlte ihm der Mut. Also „nur“ 18 Monate. Das war nicht von Vorteil, wenn man wie Frank studieren wollte. Deutsch-Geschichtslehrer wollte er werden, auch, weil er in die Lehrerin verliebt war. Er lacht. Aber seine Begeisterung ist geblieben. (Für Geschichte wohlgemerkt! Nicht für Frau Pleul ;-) und fürs Lesen.

Man warf ihm große Steine in den Weg. Aber er blieb dabei. Keinen Tag länger als 18 Monate. Ich wollte ehrlich bleiben. Mir selbst gegenüber. Für meine Überzeugung einstehen.

Sein Studium an der HU wurde 3x abgelehnt mit dem fiesen Versprechen: Sie werden nirgendwo Erfolg haben! Völlig ohne Idee kam Frank von der Armee heim. Dann hatte seine Mutter von jemand aus dem Rat der Stadt zuggetuschelt bekommen: Im Coppi-Heim besteht Bedarf an Erziehern. Er stellte sich dort vor und bekam so eine Art Praktikum. Als Erzieher ohne Ausbildung arbeitete er dort ca. eineinhalb Jahre. 440 Mark gabs, aber fürs Nötigste habe es gereicht.

Die Zeit dort hat mich sehr geprägt, erinnert sich Frank. Das war ´ne harte Schule für mich. Kinder von Alkoholikern, von total verkrachten Existenzen, aus asozialen Verhältnissen, manchmal mit weiteren 10 oder 12 Geschwistern…20/21 Kinder pro Gruppe und ein jedes hätte wohl eine fachliche Begleitung gebraucht. Von unter den Teppich koten bis Total-Rückzug oder Aggression…einige mussten starke Tabletten nehmen…Es war alles dabei. Aber: Ich hatte einen sehr guten Draht zu den Kindern. Besonders zu denen, die besonders auffällig waren und längst aufgegeben von allen. Manchmal war er auch überfordert mit den Entscheidungen, die man- oft schnell- treffen musste.

Keinen Moment war klar, wohin Franks Reise gehen sollte. An ein Studium glaubte er nicht mehr.

Und dann gab es eine „entscheidende Situation“. Franks Gruppe nutzte sein Vertrauen und bat um den Schlüssel für den Mopedschuppen. Sie wollten „nur“ bissl schrauben und putzen. Keine 2 Stunden später kam der Chef reingestürzt und brüllte. Zwei der Jungs waren ihm in der Stadt entgegengefahren gekommen. Ohne Fahrerlaubnis!

Frank war enttäuscht. So sehr, dass er kurzentschlossen seine Tasche nahm und ging. In der Bushaltestelle wartend, ist er förmlich zerflossen. Plötzlich saß der Heimleiter neben ihm. Sagte lange Zeit gar nichts. Saß nur so da, und bat ihn dann, mitzukommen, um ihm seine eigene Geschichte zu erzählen. Von der Zeit nach dem Krieg sprach er. Und wie er anfing, verlorengegangene, verwaiste Kinder einzusammeln und ein Kinderheim aufmachte…Franks eigene Traurigkeit schwand. Und als der Heimleiter den Bogen zu ihm schlug und väterlich sagte: Sie werden ein guter Erzieher! Sie werden studieren! Und Sie werden sich fürs nächste Semester bewerben! klang das so überzeugend, dass er sich tatsächlich noch einmal bewarb. Und siehe da: Da musste ihm jemand die Türen geöffnet haben. Und obwohl er beim Einstellungstest kackfrech „Die Gedanken sind frei“ sang - Frank wurde angenommen. Erzieher mit Lehrbefähigung Musik. Am Lehrerinstitut in Kyritz an der Knatter. Die Immatrikulation ganz feierlich im Kulti.

Hinterher drüben im Institut passierte etwas ganz Schreckliches, erinnert sich Frank. Der Direktor kam auf mich zu und sagte: „Schubert! Sie werden dieses Studium nicht beenden!“ Drehte sich um und ging. Frank war geplättet. Wusste gar nicht, woher dieser Hass auf seine Person kam. Ganze 3 Jahre hat dieser Typ versucht, mich zu Fall zu bringen. Aber WARUM? Ich ahnte ja, dass ich eine Stasi-Akte hatte, aber was stand da drin? Und der Typ hatte schon Leute geext (rausgeworfen, exmatrikuliert), allein weil sie mit ´ner West-Plastetüte durch die Stadt gelaufen waren!

Ich hab da ´ne schlimme Zeit gehabt. Hab mich im Studentenrat und der FDJ engagiert, um die Umstände zu verbessern und auch, um mich nicht angreifbar zu machen. Und trotzdem war es offensichtlich, man hatte mich und noch ein paar auf dem Kieker. Wir wurden schlechter benotet - das konnten wir sogar beweisen! -, oder wurden aus dem Studentenkeller geschickt, obwohl sogar die 15-17jährigen noch bleiben durften.

Hab viel gesoffen, um das auszuhalten. Ich war damals hochgefährdet, ehrlich! Das Ganze hat meine innere Kraft mobilisiert. Andererseits musste ich aufpassen, dass ich mich nicht verliere.

In den letzten Wochen wurden vor einer Kommission Gespräche geführt, wo man nach dem Examen eingesetzt werden würde. Auch da: Kampf. „Sie gehen in den Jugendwerkhof!“. Auf keinen Fall wollte Frank dorthin. Diskutierte, blieb bei einem klaren NEIN. 2x tickte der Direktor aus, 2x wurde er wieder rausgeschickt, dann das OK: Sie gehen ins Kinderheim Luckenwalde. Ein Kompromiss.

In der Nacht vor der Zeugnisvergabe hat Frank mit einer vergessenen Kerze fast das Zimmer abgefackelt. Es ging noch mal gut. Der Stellvertretende Direktor zitierte ihn ins Büro, um ihm zu sagen, was für ein fürchterlicher Idiot er doch sei. Und er solle einfach nur machen, dass er weg kommt. Jetzt lacht Frank schallend und verbirgt sein Gesicht hinter den Händen. Wie ein 5jähriger. Irgendwie. Was mir da klar wurde war: Der Typ hatte die ganze Zeit schützend seine Hände über mich gehalten! Er zerriss sein FDJ-Hemd und machte, dass er weg kam.

Auch diese schützenden Hände brachten ihn wohl letztendlich in Richtung Sozialarbeit, weckten sein Interesse an Menschen, die abgeschrieben, die anders waren, resümiert Frank.

Frank suchte sich eine Wohnung in Brandenburg. Damit war es sehr wahrscheinlich, dort auch arbeiten zu dürfen. Wohnortnah. Er bekam einen Job im Internat für Ausgleichskassen. Dort waren Kinder der 1. bis 4. Klasse untergebracht, die nicht wie erwartet funktionierten, verhaltensauffällig waren. Heute würde man wohl sagen: ADHS. Andere verträumt… oder nicht altersgemäß entwickelt. Das war dort sehr speziell und hart, sagt Frank. Allein das Gebäude! Eine ehemalige Nazibau – Ex-Kinder- und Jugendsportschule. Alles spielte sich auf einem langen Flur ab. Schlafräume, Klassenräume, Erzieherzimmer…Wie bei der Armee. Das war ´ne gruselige Atmosphäre…Puuh. Und es gab einen Erzieher, der geschlagen hat. Die Kinder, die hatten manchmal so eine unbändige Wut und Hilflosigkeit in sich, dass es schwer war, mit ihnen zu arbeiten. Und ich so frisch vom Studium mit meinen Idealen…

Zum Glück gab es auch Kollegen mit einem großen, wundervollen Herzen. Im letzten halben Jahr dort durfte ich mit einer jungen Kollegin zusammen eine 1. Klasse betreuen. Wir waren für die Kinder sowas wie elterliche Freunde, haben ihnen Wärme gegeben, viel miteinander gespielt und Gute- Nacht- Geschichten vorgelesen usw. Und zum 1.x hatte ich das Gefühl: ES IST MÖGLICH, Kindern liebevoll zu begegnen, sie zu stärken. Das hat mich wieder mit dem Beruf verbunden, an dem ich schon zweifelte.

Nach eineinhalb Jahren zieht es Frank nach Potsdam zu seiner damaligen Frau, die er bereits seit Kyritz kannte. Brandenburg ödete ihn an. Hatte keine gute Energie, wie er sagt. Abends wurden die Bürgersteige hochgeklappt, es gab kaum Kultur. Und auch wenn Frank mit einem guten Freund den alten Jazzclub mit wiederbelebte, hatte er das Gefühl, er müsse diese Stadt verlassen.

Bewusst ging seine Reise 89 nicht nach Prag oder Budapest, sondern nach Potsdam. Ich wollte die DDR nicht verlassen, die Grundidee war ja gut. Es musste sich nur etwas Großes tun!

Frank arbeitete erst in einem Schwerhörigen-Internat in Wilhelmhorst. Boah, das Ding war soo runtergerockt! Es tropfte durch die Decken, ganz üble Bedingungen! Aber: Es war ein ganz schönes, friedvolles Arbeiten. Die Kinder dort waren ganz anders. Sie bewegten sich außerhalb immer im „Klumpen“, brauchten ihre Sicherheit. Es war ein totales Einod. Und ein erster Anker.

Dann kam der nötige Umzug an den Potsdamer Pfingstberg, später wurde ein neues Internat am Schlaatz bezogen. Nach 4 Jahren sehnte sich Frank wieder nach Herausforderungen. Er wechselte zum Jugendclub am Stern. Und jaa, da gab es reichlich Ecken und Kanten. Da hatte ich dann ALLES. Und junge Leute, die zum Teil extrem drauf waren . Rechte, Linke, Nasenbrecher, Airbag-Crasher, Drogendealer, Alkoholiker, Kiffer...und zum Glück auch ganz normale Typen. Das war extrem spannend. Mir war wichtig, dass ALLE Zugang zum Club hatten, wenn sie sich an die Regeln hielten. Ich habe niemandem den Weg in unseren Club versperrt. Wollte ihnen Raum geben, friedvoll mit Menschen anderer Ansichten und Einstellungen umzugehen. Meine ersten Dialogerfahrungen! Klappte auch ziemlich gut bis auf ganz wenige Ausnahmen. Hab unglaublich viel gelernt in der Zeit. Über Jugendliche und jedwede Andersartigkeit. Und - ich war ganz schön am Limit. Überstunden und Bilder, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen. Einmal hat mir jemand seinen Arm hingestreckt, „Machste mal ´nen Kaffe?“ Auf dem Unterarm prangten SS- Runen…das wollte ich nicht mehr.

Also Wechsel. Da das Thema Drogenhilfe ihn aber anzog und er zwischendurch auch seinen Sozialarbeiter gemacht hatte, erweiterte er seinen Radar und fing als Schwangerschaftsvertretung in einem Berliner Obdachlosenübergangsheim an. Fortan hatte er nur noch mit kranken Erwachsenen zu tun. Katrin…in so körperlich erbärmlichen Zustand, das war die Härte. Manch einer hat so gestunken, dass ich nicht atmen konnte, geschweige denn, ihm zuhören. Anderthalb lehrreiche und prägende Jahre waren das. Dann wurde mir Berlin zu spooky. Da gab es z.B einen Moment …und wieder lacht er und hält sich die Augen zu….Da saß ich nachts auf dem Bahnhof Warschauer Straße kurz vor Mitternacht nach der Arbeit. Nur ich und eine Frau dort auf ´ner Bank. Und ich guck zu ihr rüber und sie grinst. Und dann höre ich es tropfen, dann laufen. Da pisst die einfach drauf los, und lächelt mich dabei an! Und da dachte ich: Wie krank ist diese Stadt!

Die Zeit dort war ganz wichtig. Ich habe viele Kontakte geknüpft zu Sozialarbeitern und der Suchthilfe, hab unheimlich viel gelernt, besonders aus den Geschichten der obdachlosen Frauen und Männer. In Potsdam gab es zu der Zeit schon einige Leute, die darüber nachdachten, ein Projekt zu entwickeln, wo es um Drogenhilfe für Jugendliche und Aufklärung geht. Prävention, Beratung, eine Anlaufstelle halt. Frank beteiligte sich. Mit all seiner Energie. Sie stießen auf großes Interesse bei Eltern und Pädagogen. 1997 gründen sie Chillout.

Ich kürz jetzt mal ab (Entschuldige, mein Lieber ;-): Frank war 10 Jahre Chef und wie er selber sagt: Die Rampensau des Vereins. Noch heute braucht man nur Franks Namen in die Runde werfen und sofort wird mindestens einer sagen: Ach, das ist doch der von Chillout.

Mit all seinen bisherigen Erfahrungen plädiert er auch für die Legalisierung von Cannabis. Von Cannabis stirbt keiner. Von Alkohol und Nikotin schon. Viele! Der richtige Umgang ist wichtig, sehr gut Bescheid wissen und vor Allem: es zu entkriminalisieren, den illegalen Drogenmarkt auszutrocknen. Sein Argument: Wenn ein Jugendlicher zu einem Dealer muss, um sich Gras zu holen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auch mal andere Sachen angedreht bekommt, sehr wahrscheinlich. Ich hab grad kein Gras da, aber probier doch mal das hier. Kostet sogar nur die Hälfte. Nachvollziehbar. Aber das Thema wäre allein ein 20seitiger Aufsatz und deshalb lasse ich das mal außen vor. Uns ging es darum, Jugendliche und ihre Eltern ins Gespräch zu bringen, den Kids einen verantwortungsvollen Umgang mit ohnehin unvermeidlichen Erfahrungen zu ermöglichen.

Frank ehrfürchtig:

Wir haben aus dem Nichts heraus etwas Großartiges geschaffen.

Mit diesen 10 Jahren Chillout und dem gemeinsamen hohen Engagement für Menschen habe ich tiefe Befriedigung gefunden. Ich habe etwas mitgestaltet, was noch heute Bedeutung hat. Habe verstanden, dass Arbeit neben Gelderwerb auch ideell wundervoll sein darf, wenn ich Menschen begleiten und sie stärken konnte. Irgendwann wurde das begeisterte Leuchten in den Augen schwächer. Ich wollte Veränderung, hatte plötzlich das unglaubliche Bedürfnis, aus mir selbst heraus zu wachsen. Ich nahm mir ein halbes Jahr Zeit, bin bissl gereist und wurde freiberuflicher Dozent. Anfangs gab es eine große Unsicherheit, was genau herauskommt. Aber es machte mir keine Angst, sondern war eine schöne und lebendige Herausforderung.

Inzwischen sitzen wir übrigens an Lieblingsplatz Nummer 4 auf einer Bank vor einem riesigen Baum, der seine Wurzeln auf den Weg…ja man könnte sagen- fließen lässt. Vor uns das Babelsberger Schloss, hinter uns das Wasser und die Glienicker Brücke. Und Frank hält inne, erzählt voller Wärme von seiner Tochter und wie sich durch sie sein Blick verändert hat. Früher hab ich immer gedacht, ich werde nicht älter als 30. Warum auch? Die Welt meiner Eltern und Verwandten war seltsam und für mich fremd. Was sollte für mich als Erwachsener erstrebenswert sein, wofür sollte ich leben? Mit 26 wurde ich Vater. Und spätestens da änderte sich alles. Meine Perspektive. Ich habe hinter meine Bühne geguckt und bin unter die Oberfläche getaucht. Ich verspürte plötzlich Lust, ihr nicht nur das Leben zu schenken, sondern ihr die Welt zu zeigen. Hinterfragte mich selber mehr und dachte viel über die Schönheit des Seins nach. Ich hatte Freude am Leben und wollte wachsen, älter und weiser werden. Durch ihr Dasein habe ich das Leben in viel breiterer Schönheit und Vielfalt betrachten gelernt. …Die Kleene. Er seufzt. Und ich lache, denn die Kleene ist inzwischen 29 und hat Frank bereits zum Opi erhoben.

Als ich richtig anfing zu lesen, bin ich manchmal auf Bücher gestoßen, in denen über Bäume geschrieben wurde. Die Sprache der Bäume z.B. von Walt Whitman. Ich fühl mich unheimlich wohl, wenn ich draußen in der Natur bin. Vielleicht hat mich mein Vater da auch geprägt. Er war Holzfäller und nahm mich oft mit in den Wald. Die Arbeit war hart und es gab kaum Maschinen, und ich habe jedes Mal aufmerksam die Gerüche in mich aufgesogen.

Es gibt ja Leute, die Bäume umarmen. Dabei guckt er mich aus dem Augenwinkel an und ich muss lachen. Und du? Er grinst: Ich hab angefangen, mich zu trauen.

Aber zurück. Frank machte sich selbständig. Referierte vor Zivis zum Thema Prävention und Kommunikation in den Einführungslehrgängen. Oder vor Hartz-IV- Leuten, die oft missmutig die Zeit absaßen, weil sie nicht freiwillig in seinen Kurs kamen. Dann habe ich den Beamer zugeklappt und gefragt, wie es ihnen geht. Dann waren sie erst verdattert, doch die größten Störenfriede begannen zu erzählen. Dass das doch alles nichts bringt, dass sie sich schon zum 5. Mal den Scheiß anhören sollen usw. Ich habe sie gesehen und respektiert, ernstgenommen und plötzlich waren sie bereit, zuzuhören. Es ging mir um wirklichen Kontakt und vertrauensvolle Beziehung.

Über die Caritas Berlin schult er seit Jahren Servicekräfte in Spielotheken. Ein sehr komplexes Thema. Verantwortungsvoller Umgang mit dem Spielgast, Sucht und Abhängigkeit…Hilfe.

Und dann machte ich eine Dialogbegleiter-Ausbildung auf Sylt. Das war die beste Entscheidung auf meinem Weg! Hab da ´ne ganz andere Art der Kommunikation gelernt. Dass sich Menschen eher auf fragende, neugierige Weise begegnen, ohne die Antwort immer gleich mitzuliefern. Referieren ist kein Austausch. Ich wollte echte Begegnungen und ehrlichen Austausch. Es ist sooo schön, wenn ich durch meine Arbeit Menschen ermutige, sich zu trauen, sich so anzunehmen, wie sie sind! So-sein dürfen!

Frank „tourt“ durch ganz Deutschland, kennt Hotels in allen Ecken des Landes, wie er lachend sagt. Und liebt die verschiedenen Eindrücke und Menschen. Jede Gegend ist anders, andere Kulturen, Dialekte, Mentalitäten. Er wird von Verbänden, Firmen, Schulen und Kitas gebucht, von Elterninitiativen, Familienzentren und manchmal einfach von einzelnen Müttern, Vätern, Pädagogen. Ich selbst habe ihn bereits 2x vermittelt, weil bei befreundeten Familien der Haussegen schief hing wegen grasrauchender Pubertisten.

Manchmal zur (Drogen)Prävention, meist aber wenn die Säge klemmt, holen sich Einrichtungen seine Hilfe. Kommunikation zwischen Eltern und Pädagogen ist immer wieder Thema- Elternbegleitung. Denn: Auch Lehrer und Erzieher denken mitunter in Schubladen. Das da sind Asoziale, die sind bildungsfern und die sind Helikoptereltern. Begriffe, die den Menschen nicht gerecht werden, Vorurteile. Ein wirklicher Kontakt ist da schwer möglich. Und wenn man dann zur Kita oder Schule „zitiert“ wird... Da ruft ja keiner an und sagt: Sie müssen unbedingt mal kommen, ihr Kind hat heut soo was Schönes gemacht! Nein, wir werden zitiert, wenn etwas passiert ist oder nicht rund läuft. Und dann sitzen wir am Schreibtisch dem Pädagogen gegenüber und fühlen uns vielleicht klein, haben Angst, wollen uns rechtfertigen. Der Einstieg ist also so schon mal schwierig. Verstehe. Die Leute stellen fest, dass sie festgefahren sind in ihrem Tun und Miteinander und stoßen an ihre Grenzen. Da ist die Arbeit im Dialog eine großartige Möglichkeit, um diese Grenzen aufzulösen.

Aber auch, weil das Klima in Einrichtungen und Firmen sich durch seine Workshops verbessern kann, ist er gefragt. Teamcoaching ist nicht nur an großen Adressen interessant und wichtig.

Frank hebt beschwörend den Finger, und ich weiß, jetzt is ihm was wichtig:

Ich komme nicht als Wissender,

um den Leuten zu erklären, wie es geht. Ich komme als Fragender, als Begleiter, als Findender. Im Dialog bin ich Teil der Gruppe. Ich verzichte auf Ratschläge und Belehrungen.

Sein Anspruch: einen Raum zu schaffen für das „von Herzen sprechen“ und echtes Zuhören. Und das in der Haltung eines neugierigen, Lernenden. Mit dem Bewusstsein, ich bringe mich in diesen Dialog mit meinem Menschsein ein. Wenn DAS gelingt, ist ein echter Kontakt mit dem Gegenüber möglich.

(Das ist übrigens Franks Dialogköffersche...) .

Das Wort Fehlerfreundlichkeit taucht mehrmals auf, und ich muss noch mal nachfragen, bevor meine Speicherkapazität dann doch erreicht ist: _Das Wort hat Prof. Dr. Siegrid Tschöpe- Scheffler geprägt. Frank lernte sie über seine Arbeit kennen. Der Gedanke dahinter:

Wir lernen durch Begeisterung. Oder durch unsere Fehler.

Aber Fehler werden oft negativ betrachtet. In der Schule werden sie sogar bestraft. Darum fürchten sich Kinder davor... verheimlichen Fehler, schämen sich. Doch Kinder dürfen Fehler machen, dann können sie anders damit umgehen, viel Lernen

Letzte Frage: Vermittelst du noch immer das, was du vor vielen Jahren gelernt hast? Böse Frage, ich weiß. Frank lacht. Ich schöpfe nicht nur aus meinen Erfahrungen, wenn ich „gerufen“ werde. Ich sammle Input. Bei jeder Fortbildung, zu der mich mein Ego regelmäßig ruft, durch Filme und Bücher, die ich mir bewusst aussuche, durch den Austausch mit Kollegen, Freunden…ja, von jedem einzelnen Menschen, mit dem ich wirklich in Kontakt komme, lerne ich. Und auch ganz stark in meiner eigenen kleinen Familie. Da will ich ganz persönlich das leben, was ich anderen versuche zu vermitteln.

Wir stopfen noch eine Bratwurst in uns rein. Wir haben so viel geredet, dass der geplante Restaurantbesuch hinten runterfiel. Sechseinhalb Stunden. Wow. Und eigentlich trotzdem nicht fertig. Aber mein Hirn ist Brei und ich muss auf meinen Ausweis gucken, damit ich weiß, was ich ins Navi eingeben muss, um heim zu finden.

Es war klasse. Und hochinteressant.

Ich kann euch nur ermutigen, als Mama, Papa, Erzieher, Lehrer...allein ein Gespräch mit Frank ist so heilsam und erleichternd!

Er nimmt Ängste, klärt auf, glättet Wogen...Ich finde kaum Worte. Aber ihr kennt mich. Kurzum: wenn bei euch der Schuh drücken sollte, wisst ihr ja jetzt, an wen ihr euch wendet, gell?

Danke Frank! Bis bald. Dann vielleicht einfach mal wieder tanzen. ;-)

Frank Schubert

Wattstraße 6

14482 Potsdam

fon: 0177-7405540

mail: f.schubert@email.de