Das Runde muss ins Eckige

Schwarz- Rot Neustadt und die Liebe zum Fußball

Wir lieben Fußball

Während der Coronazeit habe ich Masken genäht. Auch Katrin Klostermann orderte welche und kündigt vor der Abholung an: »Ach und dann hab ich noch was anderes mit dir vor. «Ooooha«, dachte ich gespannt.

Als sie dann da war, erzählte sie von ihrem Trainerdasein beim Verein Schwarz- Rot- Neustadt. Nein, sie erzählte nicht, sie sprudelte. Holte kaum Luft, breitete ihre Ideen und Ansätze aus, erzählte von Kindern mit Haltungsschwächen in ihrer orthopädischen Praxis und wie gern sie schon deshalb mehr Kids motivieren möchte, sich zu bewegen und…»Moment!« muss ich irgendwann einwerfen. »Wo genau ist mein Part?«

Sie lachte. »Naja wie du siehst, hab ich viele Ideen und würd so gern mehr bewegen…(zb. Die Kinder ;-) aber ich kriegs nicht formuliert!« Puuh! Na da war ich erstmal erleichtert. Fast hatte ich mich gefürchtet, sie würde mich zum Fußball überreden wollen! Als Trainer. Oder Sponsor. Trikots würde ich höchstens waschen … aber ich schweife ab.

Sie fand meine Posts zu den Masken witzig und dachte, ich wäre der richtige Mann (bzw. Frau) für ihre Werbung. Jaaa, das macht Druck. ;-) Setzt aber auch Ehrgeiz frei.

Und so habe ich in den letzten Wochen mehr mit dem Thema Fußball zu tun gehabt, als in meinem ganzen Leben zuvor. Und das, obwohl zwei meiner Jungs (bis zum letzten Kreuzbandriss) selber spielten und ich zumindest zu EM und WM zum begeisterten Fanvolk gehöre. Dann verpasse ich kein Deutschlandspiel. Da kommen mir nicht mal Hochzeitsfotos in die Quere!

Seit Katrins Besuch haben wir zusammen und einzeln gebrütet, stand, hockte, lag ich auf dem grünen Rasen und filmte, fotografierte, ja, dachte ich nur noch in schwarz-rot.

Wir fingen also an, auseinanderzunehmen, was Katrin am Herzen liegt, wie man Kinder begeistert, Nachwuchs „rekrutiert“.

Als echter Fußballer kann man sich ja nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht für diesen Sport leben, ge? Aber doch, doch, die gibt es. Und so versuchte ich Katrin das mal aus meiner Sicht als angenervter Mutter darzulegen.

Dass sich viele Kinder zu wenig bewegen, ist allen einleuchtend. Handy, Playstation und Co fesseln viele Kids ans Sofa. Und das sind nicht nur die kleinen Moppelchen. Im Gegensatz dazu gibt es auch viele Kinder, die einen enormen Bewegungsdrang haben und zusätzlich zu Schule oder Kita „Futter“ brauchen. Da sind wir uns sicher einig.

Was mir und anderen Müttern auf den Keks ging- und das ergaben auch meine erneuten, nicht repräsentativen Mini- Umfragen, waren der Gedanke an unausgeschlafene Sonntage im Frühnebel am Fußballplatz in Hoyerswerda. Oder so. Es hat mir schon gereicht, 4x die Woche zum Training zu fahren. Wochenenden waren bei uns jobbedingt selten. Und darum heilig.

Hinzu kommt der Leistungsdruck. Wenn der Trainer den Steppke auf keinem Siegertreppchen sieht, ist der eigentlich nicht so gern gesehen und schlimmstenfalls raus. Und das erzählten mir eher Mütter, deren Kinder nicht Fußball spielen wollten, sondern voltigieren … egal.

Druck, Punktegerangel und Wochenenden aufm Fußballplatz. Da machen viele Eltern dicke Backen. So wie ich damals. Und Fußball? Immer nur Fußball?

»Aber so ist das gar nicht!« beschwört mich Katrin. »In meiner Mannschaft (sie meint die Bambinis) gehts mir wirklich in erster Linie um Bewegung. Um Geschicklichkeit, Körpergefühl, Koordination…Na klar ganz viel am Ball. Aber eben nicht nur Fußball, sondern mit sämtlichen Bällen, die es gibt. Wir machen alles, was den Kids Spaß macht. Staffelspiele, Rollerrennen, Wasserspritzen…Hopsen, springen, toben. Wenn das Schwimmbad irgendwann fertig ist (sie schlägt lachend die Hände zum Gebet und guckt gen Himmel) gehen wir auch mal schwimmen. Wir essen Eis und auch mal Pizza.

Es geht um so viel mehr als nur um Fußball!«

»Bewegung tut nicht nur dem Hintern und Rücken gut, den Muskeln in Armen und Beinen, sondern auch dem Kopf. Die Konzentration (in der Schule und beim Spiel) steigt und JAAAA: Sport macht gute Laune.« Als Orthopädin weiß sie, wovon sie spricht. »Es ist schon manchmal deprimierend, wie früh die Kinder heute Probleme haben. Haltungsschwächen, Schmerzen im Rücken, Fußprobleme…Übergewicht« zählt sie auf. »Viele bewegen sich wirklich nur im Schulsport. Das ist zu wenig. Ich motiviere alle, sich überhaupt mehr zu bewegen. Und das regelmäßig. Muss ja nicht Fußball sein. Reiten, Taekwondo, Volleyball…Wobei…beim Fußball ist man auch noch an der frischen Luft.« Sie lacht.

»Und was ist nun mit den Wochenendturnieren?« hake ich schon fast überzeugt noch mal nach. »Das ist doch kein Zwang! Das ist immer freiwillig. Und bei den Bambinis gibts sowas eh nicht wirklich.«

Na das klingt doch super!

»Was mir noch wichtig ist, sind Fairness und der Umgang miteinander. Die Kinder müssen sich auch an Regeln halten. Aber genau die sollen sie selber festlegen.« Klar, dann halten sich auch alle eher dran. Wer will schon geschubst oder angeschnarcht werden? »Die Regeln gelten doch dann auch für den Trainer?« Katrin lacht. »Klar!«

Ich bin ja immer fasziniert von Menschen, die irgendwie mehr Stunden auf ihrem Tageskonto haben. Katrin scheint nur hobbymäßig Orthopädin zu sein. Gefühlt ist sie die meiste Zeit auf dem Platz und echt engagiert.

»Wenn wir mehr Trainer hätten, oder Betreuer, würde ich am liebsten ne eigene Spaß-Truppe aufmachen, bei der es gar nicht mehr unbedingt um Fußball geht. «

(Anmerkung der Redaktion: Vielleicht ist ja jemand unter euch, der Zeit und Lust hat, sich einzubringen? Na? Na?)

Auf jeden Fall ist das hier ein Aufruf an alle Eltern mit bewegungshungrigen oder- bedürftigen Kids, sich das mal anzuschaun. Das klingt doch alles überzeugend, oder?

In irgendeinem Gespräch fällt dann auch das Wort Außenwirkung des Vereins. Internes Bauchgrummeln und Zwistigkeiten. Weitere - nennen wir es „Recherchen“- ergaben dann auch: Naja, uns kommt son bissl das WIR- Gefühl abhanden.

»Tja, und damit fangen wir am besten an!« ist mein Vorschlag.

Nun bin ich ja kein Team- Coach, aber humorvoll auf die Wunden haun kann ich doch noch immer am besten. Frei nach dem Motto: Wir haben da einen Knacks, wir wissen darum und arbeiten dran.

Wir starteten mit einer Art Image- Campagne, die mir viel Freude bereitet hat. Und nicht nur mir, sondern auch den Jungs aufm Rasen. Mit witzigen Facebook- Posts rund um Klischees und Befindlichkeiten, die überall da auftauchen, wo viele Menschen zwar für eine Sache brennen, aber an irgendwelchen Stellen mit ihren Charakteren zusammenstoßen. Nix Unnormales, ge?

Und dann wollte ich doch auch mal die Chefin kennenlernen.

Wir verabredeten uns am Fußballplatz. Katrin, Katrin, Karina.

Wir taten so, als würden wir den Nieselregen nicht wahrnehmen, der mir bei unserem kurzen Einstiegsgespräch auf dem Parkplatz die Dauerwelle ruinierte. Fußballer sind scheinbar wenig wetterfühlig. Trotzdem mochte ich nicht drinnen sitzen und so steuerten wir die überdachte Tribüne in der Mitte der großen Rasenfläche an. Karina Legde, Chefin des Fußballvereins und Kathrin Klostermann, Trainerin der Bambinis und F- Junioren haben sich ihre Trikots übergeworfen. Ganz, wie es sich gehört. Ich ärgere mich derweil über mein schlecht gewähltes Sommeroutfit. Nach 20 min frieren mir nämlich Beine und Hintern. Es regnet jetzt stärker, was die Steppkes nebenan auf dem Feld scheinbar wenig stört.

Und weil ich zwar durchaus ein Abseits erklären könnte, aber sonst so gar keine Ahnung hab, lass ich mich mal aufklären.

Wie so ein Verein aufgestellt ist, wie er sich finanziert, was alles dranhängt…welche Altersklassen und Ligen es gibt und und und. Die ganz Kleinen starten als Bambinis. Gefolgt von F-,E-,D-,C-,B-,A- Junioren. Immer zwei Jahrgangsstufen sind in einer Mannschaft zusammengefasst und steigen dann auf in die nächste Altersklasse. Bis auf die A- Junioren, für die es derzeit keine eigene Mannschaft gibt, sind natürlich auch die Männer, eine Ü35- und sogar eine Ü60- Mannschaft aktiv.

Gespielt wird aufsteigend in der Kreisklasse, Kreisliga, Landesklasse, Landesliga, Brandenburgliga, Oberliga, Regionalliga, 3.Bundesliga, 2. Bundesliga, 1. Bundesliga. Mein Gott. Da sieht man nur als Fußballjunkie durch. Schwarz- Rot Neustadt bewegt sich in der Landesliga, spielte aber auch schon in der Oberliga, was ja jetzt nicht sooo schlecht ist, ge?

Der Verein, der im Jahr 1922 als Köritzer Sportverein gegründet wurde - He! Da steht demnächst also das 100ste Jubiläum an!!!- zählt 175 Mitglieder. Davon sind allein 120 dem Fußball zugeordnet. Es gibt nämlich außerdem noch Tischtennis, Volleyball und Kegeln. Ohne Sponsoren ginge gar nix. Auf 40 bis 50 Unterstützer darf der Verein regelmäßig zurückgreifen und ist dankbar dafür. Da müssen die Flächen gemäht und Nutzungsgebühren, Startgebühren, Aufwandsentschädigungen für Trainer, Trainingsmaterial und Trikots bezahlt werden…um nur einen Teil zu nennen.

Also wenn jemand von euch… Na ihr wisst schon. Jeder Euro zählt.

Karina, jung, hübsch, sympathisch…Frau!…. und damit irgendwie untypisch für eine Vereinschefin ist seit 12 Jahren im Verein. »Mein Bruder hat hier gespielt, mein Vater war im Vorstand…Naja und irgendwann wurde ich gefragt, ob ich die Männermannschaft betreuen würde.« Betreuen? »Na ich organisiere alles rund um die Spiele, Termine, Abfahrten usw., stehe am Spielfeldrand mit dem Eiskoffer,(falls sich wer verletzt), liefere Kuchen… sowas halt.«

Und letztes Jahr im Dezember übernahm sie den Vorsitz. Gefühlt wohnt sie seitdem wahrscheinlich hier, denn auch sie treffe ich bei jedem Termin an. Oder sie schreibt: Bin eben erst rein, haben heute aufgeräumt. »Was machst du sonst noch nebenbei?« frag ich deshalb auch mit einem Augenzwinkern. »Katrin hat ja angeblich ne Praxis.« Karina lacht. »Nebenbei bin ich Op- Managerin im Krankenhaus.« Aha. Sie betont noch mal bescheiden, dass sie Chefin für die Abteilung Fußball ist. »Es gibt ja noch andere Abteilungen.« Aber sie ist zweite Chefin vom ganzen Verein, gibt sie dann zu. Also!…;-)

Und weil sie so sympathisch ist, erhielt sie auch den Titel: Sportsympathiegewinnerin 2019. Huiiiih! Nominiert hatten sie die Vereinsmitglieder. Es gab eine Urkunde, einen Pokal und 350,- für die Kasse. »Ist noch nicht ausgegeben!« scherzt Karina.

Vom Feld höre ich immer mal aufmunternde Rufe des Trainers und muss schmunzeln. Mir fällt der Trainer von Tristan ein, der mit einem ordentlichen Bass nach der Trinkpause brüllte: »So! Alle aufstehn! Weiter machen! Die Flachzangen bleiben sitzen!« Mir ist damals die Kinnlade runtergeklappt. Aber aufgesprungen sind nicht nur die Jungs, sondern sogar alle Zuschauer. (Der Trainer gehörte übrigens nicht zum Neustädter Team! ;-)

»Seit wann gibts denn den Kunstrasen?« Den gabs damals nämlich noch nicht. »Seit gut zwei Jahren. Und auch die Tartanbahn.« Die was? Sie zeigen auf die schicke rotbraune Lauf- Bahn mit dem exakt geschnittenen Rasen in der Mitte. »Das war sooo teuer!« erzählt Karina. »Dafür hatte die Stadt Fördermittel beantragt. Sowas könnten wir als Verein gar nicht stemmen.« Und Katrin ergänzt: »Aber die Kinder lieben den Kunstrasen. Der Ball läuft schneller. Und auf normalem Rasen ist mehr Technik gefragt… Die Erwachsenen mögen den Kunstrasen nicht so. Geht auf die Gelenke, weil da Beton drunter ist. Aber im Winter ist der natürlich ein Traum.«

Dass die Fußballer auch im Winter draußen spielen, hat mich damals schon irritiert. Mein Sohn war begeistert vom Schnee und Flutlicht. »Die Männer gehen gar nicht in die Halle. Im Januar ist für vier Wochen Pause und dann gehts weiter. Und die Kinder stört das auch nicht. So lange es geht, bleiben wir auch mit denen draußen. Dann nutzen wir die Turnhalle.« Naja, bitte…!?

Am 08.08. soll es eigentlich das Spiel um den Landespokal geben. Alle Vereine der Landesliga werden in einen Topf geworfen, das los entscheidet, wer gegen wen. Der diesjährige Gegner wird noch ausgelost. Letztes Jahr spielte Neustadt gegen Cottbus. Das war schon ne Nummer. (Ich erinnere mich, dass mein Polizist vom Dienst aus der Hauptstadt kommend mit offenem Mund am Stadion vorbeifuhr und hinterher aufgekratzt fragte, was denn plötzlich in Neustadt los sei.) Jaaaa, wir können auch groß! ;-D

Ob dieses Jahr wirklich das Spiel stattfinden kann, steht wohl noch in den Sternen. Coronaaaaa….

Was solls. Trainieren darf man. Ab sofort auch mit eurem Steppke? Und Papa, Mama, Bruder, Opa als Betreuer? Tante Inge als Sponsor? Oder umgekehrt? (Hab ich was vergessen?)

Ich drück die Daumen. Dass viele Knirpse, Dreikäsehochs, Zappelphillippe und Sofakartoffeln, Jungs und Mädels sich begeistern lassen. Toi Toi Toi!!!! (Willkommen sind natürlich Spieler in allen anderen Altersklassen)

Treff ist immer mittwochs und freitags um 16Uhr am Rasen. Nachfragen und Anmeldungen bei Karina Legde unter 0152-

Ich muss noch mal anfügen, dass ich wirklich den Hut ziehe vor Katrin Klostermann. Nach meinen Foto- und Filmaufnahmen hätte ich jedes Mal nen Schnaps trinken können. Habt IHR schon mal nen Sack Flöhe dazu animiert, sich zeitgleich Schuhe/Socken an/auszuziehen, sich in einer Reihe aufzustellen, Gerätschaften aufzubauen, Eis zu verteilen, Fragen der Eltern zu beantworten....? Jaaaa, genau. Und neiiiiin, das wär nich meins. :-D

Da fällt mir ein: Als wir den Kids die Regieanleitung gaben: Wenn Katrin in die Trillerpfeife bläst, halten sich alle die Ohren zu. Leichte Übung, sollte man meinen. Ha!!!! Als erstes kam von einem der Flöhe die Frage: »Und was, wenn wir die Finger nicht mehr aus den Ohren kriegen?« Jaa, das sind Dinge, die wir als Erwachsene leichtsinnig unbedacht lassen. Wie gut, dass Katrin Ärztin ist. Mit dieser Aussage konnte sie den Floh beruhigen. Herrlich.

Also dann: Zitat Joko & Klaas: Good Kick!

PS: Verfolgt unsere kleine Image- Campagne auf Facebook! Ist echt witzig geworden. ;-) Das Filmchen gibts in Kürze. Was mach ich nur ohne Fußball demnächst?

Kontakt/ Anmeldung/ Info: Karina Legde 0152-01579768