24 Stunden Kyritz

Auch kleine Städtchen schlafen nicht. Einen Tag und eine Nacht durch die Knatterstadt.

Liebe Leser,

WAS für eine MammutTour! Wie versprochen nehme ich euch hier noch einmal mit auf meine 24 stündige Rundreise durch die Knatterstadt.

Es war wahnsinnig aufregend, interessant, witzig … und ich muss zugeben: auch anstrengend. Auch wenn ich in eine Tages- und eine Nachtschicht aufteilte, bin ich doch keine 20 mehr, gell?

Aber von vorn. Von der viertägigen Filmtour durch die Kyritzer Unternehmen habt ihr vielleicht oder hoffentlich mitbekommen? Für die Unternehmenswebsite, die mein Sohn Joseph und ich im Auftrag der Stadt erstellen, drehten wir für die Startseite Einspielerfilmchen, die typische Tätigkeiten der Firmen/ Läden zeigen. Dafür banden wir den Mitstreitern eine GoPro- Kamera vor die Brust und ließen sie machen.

Das sorgte für viel Spaß bei den Protagonisten und uns. (Lest dazu auch gern den Artikel dazu hier im Blog!) Lange Rede: Das kam nicht nur gut bei den Kyritzern und ehemaligen Kyritzern an, sondern auch bei sämtlichen anderen Interessierten, so dass ich überlegte, wie wir dieses Interesse noch weiter füttern können. Da es in diesem Jahr wegen diesem blöden Corona nur wenige Artikel/ Vorstellungen im Blog gab, ich aber trotzdem etwas Gedrucktes unter die Leute bringen wollte, grübelte ich hin und her. Und dann kam die zündende Idee, die Beides verband.

Ein Heftchen, dass einmal beleuchtet, wie so eine Stadt funktioniert. Rund um die Uhr, 24 Stunden. Wer hält die Stadt am Laufen, sorgt für unser täglich Brot, bewacht unsere Straßen, bringt unseren Kids was bei, versorgt uns in Notfällen … Mal laut, mal leise, oft im Verborgenen, unbeklatscht und zu unchristlichen Zeiten. Darum hier nun Bühne frei und einen kräftigen Applaus für alle Macher!

Auf meinen beiden Touren legte ich übrigens 200km zurück, füllte 16x eine Liste aus, in der ich erklärte, nicht an auffälligen Symptomen zu leiden, desinfizierte 48x meine Hände. Die Anzahl der Mails und Telefonate im Vorfeld habe ich nicht gezählt. Aber die Organisation hat mich garantiert fünf Jahre meines Lebens gekostet. Eine Idee zu haben ist ja die eine Sache. Die Durchführung eine andere. Alle Mitwirkenden an höchstens zwei Tagen zu erwischen, Genehmigungen einzuholen, Uhrzeiten abzustimmen und und und … Da ziehe ich im Nachhinein vor mir selber den Hut.

Am Aufregendsten war mein „Nachtdienst“. Mann, ist das lange her, dass ich mich abends anzog, ein Gesicht anmalte und das Haus verließ! (Genau genommen ist es noch kein Jahr her, aber Corona hat mein Zeitgefühl gestört.)

Es sei noch erwähnt, dass alle Angesprochenen sofort dabei waren. Und letztendlich hätte ich sogar 48 Stunden füllen können. Vielleicht wiederhole ich das Ganze im nächsten Jahr? ;-)

Aber jetzt gehts wirklich los.

(Ich tue jetzt mal so, als wäre ich an einem Stück gefahren und nicht in zwei Schichten aufgeteilt.)

Null Uhr fünfzig. Auf dem Weg nach Fretzdorf begegnet mir nicht ein einziges Auto, dafür sitzt immer mal ein Fuchs am Straßenrand. Das kleine Dorf schläft. Ein Hund bellt. Bereits auf der Straße riecht es nach Bäcker. Wie ich das liebe! Thomas Hausbalk und sein Kollege sind bereits seit halb 12 am Schaffen. Ich könnte Stunden zusehen. Echt beeindruckend! Diese geübten, routinierten Abläufe und Handgriffe! Und alles ZACK ZACK. Das ist Arbeit. Riiichtige Arbeit! »Donnerstags fangen wir früher an,« sagt der Chef »und freitags noch früher.« Weil? »Weil die Leute zum Wochenende mehr Brot und Backwaren kaufen.« Echt? Aha?

Aus einem der riesigen Bottiche, die Bäcker Enrico gerade bestückt, bekommt man 108 Brote. 500 sollen es heute werden. Die Verstärkung kommt später. Fünf Bäcker plus Chef, Konditoren und Fahrer arbeiten hier dann. Luken auf, zu, Teig gehen lassen, raus, rein … Wahnsinn. Ich versuche nicht im Weg zu stehen und schiele nach den leider noch nicht fertigen Mohnzöpfen.

Muss ich mir dann wohl doch aus einem der Läden in Kyritz holen. Beim Rewe oder in dem schönen Laden in der Joh.Seb.Bach-Straße. Im Auto jedenfalls habe ich noch lange den herrlichen Geruch in der Nase. Hmmmmm…

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Zwei Uhr nachts und ich stehe vor dem Betriebsgelände der Emsland Stärke. Leider darf ich dann doch nicht ganz hinein in die heilige Stätte der noch recht neuen Dextrinanlage. Hygienebestimmungen, Corona … Da hatten wir uns zu früh gefreut. Eine Kollegin zuckt entschuldigend mit den Schultern und ist dann so freundlich, für mich ein Foto zu schießen. 15 Mitarbeiter sind hier um diese Zeit zu Gange, denn auch die Stärkefabrik arbeitet im Schichtsystem. Hergestellt werden hier aus Kartoffeln (220.000t jährlich), Erbsen und Mungobohnen Produkte für die weiterverarbeitende Industrie.

In der Leitstelle der Dextrinanlage (Foto) wird der reibungslose Ablauf überwacht. »Dextrin ist der Goldstaub, der Pommes ummantelt und besonders knusprig macht.«, erklärt mir die Kollegin. Wieder was gelernt.

Was ich auch nicht wusste: Das Unternehmen (Carl Konrad) wurde bereits 1873 gegründet, war zu DDR- Zeiten als Stärkebude bekannt und wurde nach der Wende in die Emsland Stärke GmbH integriert, die deutschlandweit acht Werke an sieben Standorten betreibt. In Kyritz arbeiten 130 Mitarbeiter. Ach und man sucht derzeit einen Schichtelektriker und einen Chemielaboranten. Bei Interesse also melden. :-)

Uaaaaah. Drei Uhr. Ich bin nun bei der Polizei verabredet. Mann, bin ich aufgeregt! Ich parke erstmal schön im Parkverbot und entgegen der Fahrtrichtung. Und feixe.

Als der Türsummer geht, hab ich fast feuchte Hände. Polizeikommissarin Kähne nimmt mich in Empfang, lässt mich sogar in den „VIP- Bereich“. Ich bin gespannt und neugierig. Im Aufenthaltsraum trinken wir erst einmal Kaffee, denn die Kollegen sind noch unterwegs. Und der ist gar nicht so übel, wie ich ihn mir vorgestellt hab. »Warum soll der denn schlecht sein? Wir haben ne ordentliche Maschine … Ich will doch auch keine Plörre trinken!« Da hat sie natürlich recht. I

Ich könnte Stunden hier sitzen und mit der sympathischen Kommissarin plauschen. Im Hintergrund dudelt der Fernseher. »Ich nehme mal an, Sie gucken Polizeiserien hoch und runter?« frage ich und könnte mich über ihre rollenden Augen totlachen. »Nee, das geht GAR NICHT!« Dachte ich mir. Ich frag der armen Frau Löcher in den Bauch. Was passiert hier so in der Regel? Ist ja schließlich Kyritz und nicht New York City. Kann es sein, dass derzeit mehr eingebrochen wird, als sonst? Warum stehen im Polizeibericht immer so bescheuerte Nichtigkeiten? Wie sind die Dienste? Wie viele Kollegen sind hier auf der Wache uuuusw. (Ganz kurz: Nachts ist es natürlich ruhiger als im Tagdienst, trotzdem rücken die Kollegen um die 10x aus. Verkehrsunfall, Körperverletzung- häusliche Gewalt, Einbrüche, die meist gegen Morgen entdeckt und gemeldet werden. Geklaut wird im Moment nicht mehr, als sonst auch. Das kommt mir nur so vor, weil es derzeit in meiner Umgebung passiert. Und warum in der Zeitung ausgerechnet steht, dass in nem Keller ne Wäscheleine durchtrennt wurde, erschließt sich ihr auch nicht. Wir gackern die ganze Zeit. Herrlich. In Kyritz sind 30 Beamte, die sich um unser Wohl kümmern.)

Ich darf mir noch die „Ausnüchterungszelle“ anschaun, in die ich nicht mal einen Fuß setzen kann vor Grusel und dann kommen endlich die Kollegen. Ganz jung und ich denk so: Mann, das könnten meine Kinder sein! Ich werde alt. Sie beweisen Humor und begleiten mich nach draußen, wo wir dieses herrliche Foto machen. Dann darf ich mich hinten in den Streifenwagen setzen. Das erste Mal in meinem Leben ohne Handschellen. (Das war ein Scherz!)

Kommissarin Kähne winkt mir noch mal und verspricht: »Nummernschild ist notiert! Ab jetzt Freies Geleit auf allen Wegen!« Na da bin ich mal gespannt. Ich lache noch ne ganze Weile. (Dankeschön noch mal an der Stelle!)

Johanna (mehr möchte sie nicht verraten, ist ihr unangenehm) kann nicht mehr schlafen. Vier Uhr und die Nacht ist noch lang. Was macht man, wenn ein Tag dem anderen gleicht, es keine Höhen und Tiefen mehr gibt und die einzige Abwechslung die Krankenschwester ist, die gegen sieben kommt, um einem beim Anziehen behilflich zu sein und das Frühstück zu richten? Was ist eine halbe Stunde, wenn der Tag dann wieder nicht vergeht? Das Ticken der Uhr macht sogar mich wahnsinnig und ich habe einen ziemlichen Kloß im Hals. (Inzwischen besucht Johanna 3x wöchentlich die Tagesbetreuung. „Kita für Alte“ sozusagen. Dagegen hat sie sich lange gesträubt. Und nun? Ist sie froh. Würde am liebsten jeden Tag gehen. Das ist doch schön, ge?)

Um kurz vor fünf setze ich mich in das Wartehäuschen am Bürgerpark und warte auf Maik Tenisson, der den kleinen Triebwagen der Hanseatischen Eisenbahn in Richtung Neustadt lenken wird. Irgendwie unheimlich so allein im Dunkeln. Aber ich bin überrascht, wie viele Busse schon unterwegs sind. Da sitzt der Fahrer drin, der auch schon um vier aufgestanden ist, um Berufstätige von A nach B zu bringen, die auch schon früh raus mussten. Wow. Da macht man sich ja nie Gedanken drüber, oder?

Kurz nach fünf gehen die Schranken runter und der Triebwagen kommt angerattert. Wusstet ihr, dass das Häuschen dort der letzte besetzte Schrankenwärterposten Deutschlands ist?

Maik Tenisson ist gut drauf. Trotz der Uhrzeit. »Naja, aber inzwischen nervt mich das frühe Aufstehen schon«, gibt er zu. (Immerhin fährt er seit 20 Jahren die Strecke.) Und dann gehts los. Mit uns fahren zwölf müde Pendler in Richtung Neustadt und von dort weiter nach Berlin. Was Manche so auf sich nehmen Tag für Tag! Wir fahren zurück nach Kyritz.

Schade, dass es dunkel ist und man die Strecke nicht sehen kann. Ist bestimmt malerisch, weil man ja wirklich nur durch Wald und Wiese fährt. »Am Schönsten ist es, in den Sonnenaufgang zu fahren«, schwärmt Maik. »Du musst mal am Wochenende mitkommen, dann fährt die Bahn bis Meyenburg, da ist die Strecke sogar leicht hügelig.« Na klar. Am Sonntag. Morgens um … Aber tatsächlich stelle ich es mir reizvoll vor und nehme mir das für den Frühling ganz fest vor. Dann auch unbedingt, wenn Maik Dienst hat. Er ist echt unterhaltsam.

Kurz nach sechs empfängt mich „Schwester Anne“. Sie ist erst seit Oktober mit ihrem eigenen ambulanten Pflegedienst am Start und beschäftigt bereits sieben Mitarbeiter. Derzeit sind es 72 Patienten, die von den weißen Flitzern mit dem sympathischen roten HerzLogo angefahren werden. Anne ist zu Recht stolz und strahlt. »Wir haben gerade das dritte Auto beklebt!“ Wir trinken erst einmal Kaffee. Ihre Räume im alten Solarium in der Holzhausener Straße sind so schön eingerichtet, dass man denken könnte, hier wohnt jemand.

Viel Zeit haben wir nicht, denn Anne muss ausrücken. Halb sieben ist sie beim ersten Patienten. Und die meisten warten dann bereits auf sie und ihre Mädels. Oft sind die Schwestern das einzige Highlight in einem traurigen, einsamen Alltag. Darüber will ich jetzt gar nicht nachdenken. Ich hätte sie begleitet, aber dieses Corona …

Um kurz vor sieben warte ich auf die Jungs von der Holzwerkstatt Lange & Albrecht in Holzhausen. Fast werde ich unruhig … aber da kommen die gelben Transporter. In der Werkstatt riecht es gut. Ich liebe das. Wobei … Werkstatt klingt ja eher nach Basteln. Dabei werden in der Tischlerei auch Türen, Fenster, Treppen, Rolläden, Gauben und was weiß ich gebaut, Vieles wird aber eben auch bestellt. Und gerade Fenster und Türen sind natürlich auch aus Plaste. »So ganz klassisch ist der Beruf nicht mehr«, sagt Matthias Albrecht dann auch… und nicht zum ersten Mal.

Ich finde es trotzdem immer wieder beeindruckend, wenn er in Null Komma nix was „bastelt“. Gekonnt ist gekonnt. (Er ist der Mann meiner besten Freundin und hat mir schon oft aus der Patsche geholfen oder was tolles gebaut. Mein Bett z.B.)

Entspannt und gut gelaunt beladen die Männer die Transporter, kurze Absprache und los gehts. Eigentlich sollte es im Sommer ne große Party geben. 25jähriges Jubiläum hätten Andreas lange und Mathias Albrecht dann gefeiert. Da kann man stolz drauf sein, definitiv. Aaaaber: Corona.

Um acht lauere ich dem Hausmeister des Rathauses auf. Da ist er schon eine Stunde zu Gange. Hat die Mülltonnen rausgeschoben, Laub geharkt. Er weiß nichts von seinem „Glück“, ist aber spontan und muss nicht überredet werden. Holger Delft ist seit Mai 2019 die gute Seele des Hauses. Und irgendwie gibt es immer irgendwas zu reparieren, wegzuräumen, zu bauen, zu besorgen. Und auch ums Rathaus herum soll alles gepflegt und sauber sein, nicht wahr? Einen Rathaus-Hausmeister (tolles Wort!) habe ich mir übrigens anders vorgestellt. Alt, schlurfend, brummig. Mit einem riesigen Schlüsselbund. Ich gucke zu viel fern. Dieser Hausmeister hier ist sympathisch, fit…und seit es diese Generalschlüssel für alles gibt … Ach ich bin enttäuscht. ;-)

Pünktlich um neun öffnet die Raiffeisenbank ihre Pforten für die Kunden. Dann haben die Damen in ihrem schicken Dresscode bereits seit eineinhalb Stunden alles vorbereitet. Ich hab nicht nachgefragt, was das heißt, aber sicher werden die Goldbarren poliert? ;-) Weil mein Sohn letztens staunte über das moderne Gebäude, hake ich noch mal nach. »Seit wann steht der Neubau jetzt hier?« Seit 2013, erklärt man mir. Das Gebäude, an das ich mich echt kein bissl mehr erinnern kann, sollte eigentlich saniert werden. Aber es war nicht mehr zu retten. Und so wurde dann doch neu gebaut.

Weil heute aber nicht das ganze „Stammpersonal“ da ist, bittet mich die Bank, doch das schon bekannte Foto zu verwenden. Na ausnahmsweise. »Und was sind das heute für unbekannte Gesichter?«, tuschel ich noch mal neugierig. »Azubis.« Sieben Azubis bildet die Bank aus, dazu kommen noch 2 Studenten. Nicht schlecht.

Gegen zehn platze ich in eine Besprechung der Firma REO. Ein großes Unternehmen (Hauptsitz in Solingen) mit Niederlassungen in China, USA, Indien, Schweiz … bis hin zum kleinen Kyritz. Und auch hier arbeiten um die 100 Leute. WOW.

Was REO produziert, kann ich nur wiedergeben. Leider nicht verstehen. Wieder staune ich über Jennifer Baatz (2.v.l.), die sehr wohl erklären kann, was an welchem Arbeitsplatz passiert. Wir hatten ja schon mehrfach miteinander zu tun und ich kann nur sagen: Die Frau ist fit! Nein…das technische Gen fehlt mir. Ich kann nur zusammenfassen: Irgendwas mit E- Mobilität. Darum nur nachgeplappert: »Unser Team (aus Produktion, Technik, Vertrieb, Konstruktion) trifft sich wöchentlich, um neue Projekte bzw. die Weiterentwicklung eines Produktes zu besprechen. Heute geht es um die Weiterentwicklung von ressourcensparenden, wassergekühlten Drosseln und Bremswiderständen für elektrisch angetriebene Busse und Trucks.« Aha. Jaaaa, so habe ich auch geguckt. Was mir erneut auffällt, ist das gute Klima in der Firma. Schön.

Um elf stoße ich auf die nächste Besprechung. Im Strandbad treffen sich Handwerker und Planer mit der Chefin von der Wohnungsbaugesellschaft. G. Schuster bespricht mit den Männern die Ausbesserung der Steganlage. Ihre gute Laune ist ansteckend. Eine Powerfrau, würd ich mal sagen. Bis die nächsten Badegäste ins Wasser hüpfen, soll alles fertig sein. Bei diesem miesepetrigen Wetter mag man sich kaum vorstellen, überhaupt nur einen Zeh hier reinzustecken. Aber ja, das Strandbad ist ein Magnet. Und etwas, worauf Kyritz durchaus stolz sein kann.

Später frage ich dann G. Schuster, warum das Strandbad zur WBG gehört. Ich fasse mal zusammen: Das historische Strandbad (mit einer gut 100jährigen Geschichte!) war ziemlich traurig anzuschaun und keineswegs mehr zeitgemäß, bis man es 1996 umfangreich sanierte. 1998 nahm sich die WBG dem Bad an. Und ganz sicher nicht, weil es Geld einbringt, so meine Vermutung. Was kann schon rumkommen, bei den schmalen Eintrittspreisen? Frau Schuster gibt mir Recht. »Aber das Strandbad ist unser Herzblut. Es wäre doch wirklich schade!« ja, das wäre es.

Und so wurden noch Parkplätze angelegt, große Rutschen gebaut, die Steganlage erneuert, Umkleidekabinen und sanitäre Einrichtungen modernisiert … usw. Der historische Charme blieb erhalten. Und so erfreut sich das Bad weiter großer Beliebtheit. Trotz Corona in diesem Sommer, wo Schulklassen zwar fernblieben, aber mehr Touristen innerlandes reisten, besuchten 13.480 Gäste das Strandbad am Untersee. Huih!

Um zwölf klopfe ich an die Scheibe des Tourismusbüros am Marktplatz. Annett Scholz öffnet mir. Derzeit sind die Öffnungszeiten eingeschränkt. Touristen sind nicht mehr unterwegs, Veranstaltungs-Tickets werden wohl auch nicht verkauft, weil es kaum Veranstaltungen gibt. Und so bleibt Zeit für Liegengebliebenes, Inventur und Abrechnungen. Und die Planung für das nächste Jahr. Zwei mal in der Woche kommen dann aber auch die Einheimischen und kaufen „kyritz-typische“ Geschenke. Honig, Knatterwasser, Fruchtsäfte, Knatterperle, Schoki.

Um die 60 Besucher zählte das Tourismusbüro im Sommer täglich! Nicht nur, weil man nicht ins Ausland reisen durfte, verbucht Kyritz immer mehr Touristen. Auch im letzten Jahr standen bereits auffällig viele Wohnmobile an der Wässering. Als Camperfreund muss ich sagen: Ja, ich würde auch in Kyritz anhalten. Wäre genau meins.

Punkt dreizehn fünfundzwanzig kommen die Busse aus der riesigen Halle und sammeln sich vor der Schranke des Betriebshofes von der Ostprignitz- Ruppiner Personennahverkehrsgesellschaft (Was für ein langer Name!). Freundin Babett, dort beschäftigt, hatte mir bereits vorgeschwärmt, dass sie noch immer Gänsehaut bekommt, wenn sie aus ihrem Bürofenster die Busse mittags ausrücken sieht. Und ich muss ihr zustimmen, das hat was. Rund 6400 Schülertickets wurden 2020 im Landkreis ausgestellt. Und so schwärmen die Busse jetzt in alle Richtungen aus, um vor allem Schulkinder und natürlich auch alle anderen Fahrgäste sicher heim zu bringen.

30 Busse gehören zum Fuhrpark und ich versuche mir die Logistik vorzustellen, die hinter dem Ganzen steckt. Busse, Fahrer, Linien mit Schulzeiten zu koordinieren … und trotzdem es nicht allen recht machen zu können, weil sie eben in Takkatukka wohnen … Och nööö.

Kurz vor vierzehn Uhr schleiche ich um die Diercke- Schule. Natürlich ist der Vordereingang gesperrt. Es sieht nach Bauarbeiten aus und nach CoronaAbsperrungen. Da ich keinen weiteren Zugang kenne, fühle ich mich etwas doof. Und bestimmt beobachten mich bereits eine Menge Pubertisten aus den Fenstern und feixen.

Irgendwann finde ich den Eingang über den Hof und sogar das Zimmer der Rektorin. Ch. Kruschel wartet schon auf mich. Sie begleitet mich in eins der Klassenzimmer. Dort sitzt eine zehnte Klasse und folgt gebannt dem Schüler vorn und Julius Legde, einem jungen Lehrer. Alle haben ein Tablet vor der Nase. Ich staune doppelt. Junger Lehrer PLUS Digitalisierung. Wow! Da hat sich was getan!

Und wie ich so mit der Rektorin hereinplatze, fühle ich mich an meine eigene Schulzeit erinnert. (Nicht nachrechnen, Katrin! Nicht nachrechnen!) und sage laut und freundlich: »Sooo, Zettel raus! Leistungskontrolle!« Leider reagiert keiner. Was ist nur mit der Jugend los! ;-)

Die Diercke- Schule ist sehr engagiert, gut und modern ausgestattet und hat sich besonders der Berufsorientierung und - Vorbereitung verschrieben. Die zehnte Klasse arbeitet mit ihrem Lehrer gerade am Thema soziale Kompetenzen.

Fünfzehn Uhr. Auf dem Flugplatz in Heinrichsfelde ist es heute vergleichsweise ruhig. Wo sonst im 7-Minuten-Takt Maschinen starten und landen, herrscht Leere. Anja Mönck hofft ab morgen auf besseres Wetter. Davon unabhängig kann im Simulator jederzeit geflogen werden. Das ist wirklich beeindruckend. Man hat tatsächlich das Gefühl, man sitzt hinterm Piloten in einem Urlaubsflieger. Wenn ihr das nächste Mal verreist, fragt doch mal nach, ob der Käptn seinen Flugschein hier in Heinrichsfelde gemacht hat. Das könnte nämlich durchaus sein. Wusste ich auch nicht.

Anja lacht. »Man kann bei uns die Ausbildung zum Berufs- und Verkehrspiloten machen. Wir haben festangestellte Lehrer und einige kommen extra für die Kurse aus ganz Deutschland. Dieser hier stammt übrigens aus Hamburg.

Zum Unternehmen gehört auch die Flugzeugwerft. Hier werden die eigenen Chessnas repariert und gewartet und natürlich auch Fremdflugzeuge.

Habt ihr schon mal einen Rundflug gemacht? Das ist echt beeindruckend, die Heimat mal aus einer anderen Perspektive zu sehen! Ist auch ne klasse Geschenkidee!

Sechzehn Uhr. Vorm Autohaus Dullin ist Dana Raschke gerade dabei, eins der Verleihfahrzeuge wieder aufzuhübschen. Oder sagt man Mietwagen? Ging bisher jedenfalls auch an mir vorbei, dass man hier alles Mögliche mieten kann. Vom Werkstattersatzwagen über Transporter, LKW mit Ladebordwand (mit Personenführerschein fahrbar), normalen Pkws, diesem Kleinbus hier und jaaa, sogar einem Trabant „Kübel“ ist alles vorhanden. Wieder was gelernt.

Und weil ich heute schon das dritte Mal hier bin, fühle ich mich fast zum Team dazugehörig. Wir trinken Kaffee, flachsen ein bissl mit den Kollegen und das Betriebsklima scheint locker. Dafür liebe ich meinen Job.

Firma Flöter versucht in der Regel, zu Zeiten auszurücken, in denen sie dem Tagesgeschehen nicht hinderlich sind. Das ist dann oft zu sehr früher Stunde. Im Moment aber sind die Straßen nach Einbruch der Dunkelheit oft wie leergefegt. Mein Empfinden jedenfalls. Egal.

Siebzehn Uhr und die Jungs von der Rohrreinigungsfirma fahren schwere Technik auf. In der Hamburger Straße gab es eine Bodenabsenkung und man befürchtete einen Rohrbruch. Die eingesetzte Kamera gab jedoch Entwarnung. Technik, die begeistert.

Achtzehn Uhr. Doreen Goldmund behandelt ihren letzten Patienten für heute. Bioenergetische Meditation nach Viktor Philippi. Bei dieser Behandlung werden die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert und gestärkt. Diese Methode kann vorbeugend, aber auch bei akuten und chronischen Beschwerden eingesetzt werden. Oder auch um Kraft zu tanken und Stress abzubauen.

Ich hab keine Ahnung, wie das funktioniert. Muss ich aber auch nicht. Ich bin jedenfalls vor einiger Zeit durch unsere Arbeit an der Unternehmenswebsite für Kyritz aufmerksam geworden und war daraufhin schon 3-4mal bei Doreen. Es ist ein Traum, ehrlich. Ich habe mich so ruhig und aufgeräumt gefühlt hinterher! Und ich hatte noch Tage eine Energie! … Wahnsinn. Kann ich euch wärmstens empfehlen!

Neunzehn Uhr und gleich Feierabend. ALso bei AlSITec. Nicht bei mir. Wolfgang Wittkopf und Kollege nehmen die gerade installierte Alarmanlage an einem Bürogebäude der Firma hzqwsnmns (sorry, Datenschutz ;-) in Betrieb. Mit einem kleinen Chip am Schlüsselbund kann der Inhaber sie nun aktivieren. Langfinger werden auch hier keine Freude mehr haben.

Es ist ja wirklich verrückt, was es heute alles so gibt. W. Wittkopf hatte uns ja letztens mal ausführlich erklärt, welche Möglichkeiten es gibt. Nicht nur für Firmen, sondern auch für private Häuser/ Wohnungen. Am Spannendsten fand ich ja das Teil, das an meiner Wohnungstür per Kamera festhält, wer alles so da war. Das hol ich mir irgendwann! Abends kann ich dann gucken, wen ich verpasst hab. Und es gibt eine Verbindung zum Handy und wenn jemand klingelt, klingelt es auch auf dem Telefon und ich kann sagen: »Bin in 10 Minuten zurück!« (Oder wahlweise: »Nee, die wohnt hier nicht mehr!« Wenn es der Gerichtsvollzieher ist. Oder die Schwiegermutter.) Lieber Herr Wittkopf- ich habs bestimmt falsch erklärt. Machen Sie sich bitte noch mal die Mühe, falls jemand fragen kommt! ;-)

Auch beim Edeka schließen für heute die Pforten. Es ist gleich zwanzig Uhr. Vanessa -von den Kollegen als Modell auserkoren und vor die Linse geschoben - hat ganz und gar den Edeka- Slogan verinnerlicht. Wir lieben Lebensmittel. Sie kommt nicht am Obstregal vorbei, ohne die Äpfel richtig zu drapieren. »Jaaa, tut mir leid, aber das kann ich echt nicht sehen!« lacht sie verlegen und füllt im Vorbeigehen die Lücken auf. Und zack … hab ich mein Foto im Kasten. Danke Vanessa! ;-) Ich mag den Kyritzer Edeka. Die Mädels sind sympathisch, das Angebot groß, gut sortiert und auch regional … Naja und irgendwie wirkt der Markt viel, viel wärmer als andere.

Einundzwanzig Uhr und für Sie heute am Telefon: K. Timm. Tadaa! Nein Quatsch. Aber ja, es gibt eine Telefonnummer für die Mieter im Notfall. Und nein, das ist dann kein tropfender Wasserhahn, sondern halt ein Notfall. Brennende Küchengardinen z.B. (vermute ich). Die WBG (Kyritzer Wohnungsbaugesellschaft) sind zuständig für fast 1400 Mietwohneinheiten in Kyritz und Neustadt. Da kann schon immer mal was sein. Hinzu kommen noch Garagengrundstücke und Gewerberäume…) Der älteste bestehende Mietvertrag ist übrigens vom Mai 1963. Witzig, oder? Und dass die WBG sich dem Strandbad angenommen hat, habe ich ja schon erzählt, nicht wahr?

Schichtwechsel um zweiundzwanzig Uhr in der Rettungsstelle vom KMG- Klinikum. Gerade wirkt es ruhig, aber Nancy und Jasmin haben in ihrem Dienst bereits 15 Patienten versorgt und bereiten noch schnell alles für den nächsten Ankömmling vor. Wow, was hier für Technik steht! »Die Zahl der Patienten schwankt natürlich und sagt eigentlich gar nichts. Jedenfalls nicht: Nur drei Patienten, also: Langeweile«, erzählen sie mir. »Manchmal haben wir nur drei Patienten, die uns trotzdem acht Stunden komplett auf Trab halten.« Der Nachtdienst grüßt kurz durch die Tür und die Mädels sind erleichtert. Feierabend. Und weil sie so sympathisch waren, schenke ich ihnen noch (für den Privatgebrauch) selbstgenähte Masken mit EKG- Muster. Ach ich bin sooo witzig! ;-)

Es ist wirklich eigenartig, bei Nacht durch Kyritz zu fahren. Man denkt, die Meisten schlafen und dann kommt man auf ein Firmengelände und staunt, wie viele Menschen auch nachts aktiv sind. Bei Alutrim stehen die hochmodernen Maschinen nur am Wochenende still. Ganze 135 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, das Aluminiumzierteile für bekannte Marken herstellt. Daimler, Porsche, Maybach usw. Jaaa, guckt mal in euren PKW…

Dreiundzwanzig Uhr. Auch hier wird jetzt an den Nachtdienst übergeben. Frau Zirk gehört zu den „alten Hasen“, die schön länger in der Firma sind und deshalb an verschiedenen Stationen einspringen können. Eine Woche dauert es, um einen neuen Mitarbeiter einzuarbeiten. Ich stelle mir die Arbeit echt anstrengend vor. Permanent stehen und hochkonzentriert arbeiten. Hut ab. Für neue Projekte sucht Alutrim übrigens noch einen ganz Teil neuer Mitarbeiter, das können gern auch Quereinsteiger sein. Erkundigt euch mal unter jobs@alutrim.de.

Jetzt hab ich doch glatt vergessen, zu fragen, was ein Poolfahrzeug ist. Da wird ja wohl kein LKW mit nem Schwimmbecken drauf anhalten, um die Angestellten zu bespaßen?

Geschafft. Vierundzwanzig Uhr. Da die Matratzen bei Jürgen Herlth eh besser sind, als meine eigenen, leg ich mich kurz ins Schaufenster. Seven Sundays - was so viel heißt wie: jeden Tag ein Sonntag- ist eine Schweizer Firma, die in einer Manufaktur modulare Schlafsysteme herstellt. Individuell, langlebig. Jürgen macht gern eine Schlafberatung bei euch daheim. Dazu rückt er mit den einzelnen Modulen an und stellt für euch passend die richtige Schlafstatt her. Vierzehn Tage hat man dann Zeit, die Matratzen zu testen. Kann mir kaum vorstellen, dass man die Dinger wieder rausrückt, wenn man einmal drauf gelegen hat. Also ICH bin schwer verliebt.

ENDE

Und? Was sagt ihr? Ganz schön viel Input, oder? Dann könnt ihr euch ja mein Hirn nach dieser Tour vorstellen! Das hier ist nur die Zusammenfassung gewesen!

Aber es war phantastisch. Ich bin sehr dankbar.

Allen Mitwirkenden und der Stadt Kyritz.

Bleibt gesund! Herzlichst

Frau kULTich